Hinterziehung von Sozialabgaben – Tatbestand, Folgen und Schutzkonzepte

Wann liegt eine Hinterziehung von Sozialabgaben vor?

Arbeitgeber müssen für ihre Beschäftigten Sozialabgaben zahlen (§ 28e SGB IV). Unterlassen sie dies, machen sie sich strafbar wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) , besser bekannt als Hinterziehung von Sozialabgaben. In der Praxis tritt dies hauptsächlich in drei Fällen ein:

  • Fall 1: Zahlung von Schwarzlohn

Die Zahlung von Schwarzlohn ist der bekannteste und häufigste Fall der Hinterziehung von Sozialabgaben. Ein Arbeitnehmer erhält hier seinen Lohn oder Teile davon bar auf die Hand. Der ausgezahlte Lohn wird jedoch weder versteuert noch werden die Sozialabgaben daraus abgeführt. Teilweise wird die Auszahlung des Schwarzlohns durch vermeintlich legale Konstruktionen verdeckt, wie z.B. nicht angefallene Reisekosten.

  • Fall 2: Einsatz von Scheinselbständigen

Ein weniger bekannter aber doch häufiger Fall ist der Einsatz von Scheinselbständigen. Hier beauftragen Unternehmen meist über Jahre hinweg Selbständige mittels Werkvertrag oder Dienstvertrag. Diese werden regelmäßig im Unternehmen tätig und erhalten Weisungen. Im Falle einer Entdeckung durch prüfende Behörden, wird oft der Vorwurf der Hinterziehung von Sozialabgaben erhoben. Die Behörden stützen ihren Vorwurf dann darauf, dass es sich bei den Selbständigen in Wahrheit um Arbeitnehmer handelt. Da für die Selbständigen in der Regel keine Sozialabgaben abgeführt wurden, steht der strafrechtliche Vorwurf im Raum.  

  • Fall 3: Gescheiterter Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung

Ein weiterer Fall, der den Betroffenen oft nicht so recht bewusst ist, sind die Folgen eines gescheiterten Werkvertrages bei Einsatz von Fremdpersonal. Wird fremdes Personal im eigenen Unternehmen auf Basis eines Werkvertrags eingesetzt, müssen dessen Voraussetzungen eingehalten werden. Scheitert ein Werkvertrag oder liegt von Anfang an ein Scheinwerkvertrag vor, greifen die Regelungen der Arbeitnehmerüberlassung – auch Leiharbeit oder Zeitarbeit genannt – ein. Der Auftraggeber des Werkvertrages wird Arbeitgeber der eingesetzten Arbeitnehmer. Die eingesetzten Arbeitnehmer haben Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen wie die Stammarbeitnehmer (Equal-Pay-Grundsatz). Da die Stammarbeitnehmer meist einen höheren Lohn erhalten als die eingesetzten Arbeitnehmer, fallen auch auf die Differenz Sozialabgaben an.

Ermittlungsmaßnahmen des Zoll bei Hinterziehung von Sozialabgaben

Dem Zoll als Ermittlungsbehörde gibt der Gesetzgeber umfangreiche Werkzeuge an die Hand, um eine Hinterziehung von Sozialabgaben aufzudecken. Denn einerseits erfolgt sie oft verdeckt, andererseits hat sie erhebliche Konsequenzen für die Betroffenen.

Der Zoll wird bei einem Anfangsverdacht tätig. Ein solcher Verdacht kann viele Ursprünge haben. In Betracht kommen Kontrollen des Mindestlohns durch den Zoll, Hinweise anderer Behörden, etwa bei Betriebsprüfungen der Sozialversicherung oder der Finanzbehörden, sowie Anzeigen von Mitbewerbern, Arbeitnehmern etc. Teilweise führt der Zoll nach einem Hinweis oder einer Anzeige auch erst eine Kontrolle durch, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Bei einem Verdacht auf Hinterziehung von Sozialabgaben, durchsucht der Zoll Firmen und Privatwohnungen
Bei einem Verdacht auf Hinterziehung von Sozialabgaben, durchsucht der Zoll Firmen und Privatwohnungen

Liegt ein Anfangsverdacht vor, stellen die Ermittlungsbehörden einen Antrag auf Durchsuchung beim zuständigen Amtsgericht. Die Durchsuchung findet zum einen in der Firma des Auftraggebers und zum andern oft in der Privatwohnung des Geschäftsführers statt. Dabei wird immer wieder der gesetzliche Rahmen ausgenutzt und um 06:00 Uhr morgens begonnen. Das hat zudem den Effekt, dass die Betroffenen oft überrascht werden und die gesamte Familie betroffen wird. Zudem ist es hier aufgrund der frühen Stunde schwieriger, einen Rechtsbeistand zu kontaktieren.

Im Rahmen der Durchsuchung suchen die Ermittlungsbeamten nach allen Arten von Beweismitteln, die den Vorwurf der Hinterziehung von Sozialabgaben stützen werden. Dies führt zu einer umfangreichen Beschlagnahme von Akten und Speichermedien wie Handys, PCs, IPads, Laptops usw. Ebenso werden festgestellte größere Summen von Bargeld sichergestellt. Wenn sich nämlich der Verdacht am Ende bestätigt, kann eine Auszahlung dieses Geld an die geschädigte Sozialversicherung erfolgen. Brisant sind hier auch immer wieder Zufallsfunde. Diese haben mit dem eigentlichen Vorwurf nichts zu tun, bringen die Betroffenen aber immer wieder in Erklärungsnot. Betroffene sollten daher immer von ihrem Schweigerecht umfassend Gebrauch machen. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass sich die Beamten nicht die ganze Arbeit gemacht haben, um sich mit ein paar warmen Worten abspeisen zu lassen.

Des Weiteren schwebt über den Betroffenen das Damoklesschwert der Untersuchungshaft, kurz U-Haft. Hier ist eine Anordnung schon von Beginn an möglich, etwa bei Fluchtgefahr. In Betracht kommt sie aber auch später in Form der Verdunkelungsgefahr. Diese ist gegeben, wenn die Besorgnis besteht, dass auf Zeugen eingewirkt wird.

Die Folgen eines Verstoßes gegen § 266a StGB

Ein Verstoß gegen § 266a StGB zieht viele Folgen nach sich. Auf der strafrechtlichen Seite droht eine Freiheitsstrafe oder bei kleineren Vergehen eine Geldstrafe. Liegt der Schaden über einer Million Euro, so wird meist eine Freiheitsstrafe ausgesprochen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird. Des Weiteren erfolgt oft eine Einziehung. Hierdurch soll der Schaden durch den Betroffenen ausgeglichen werden. hierbei werden Vermögenswerte, die im Ermittlungsverfahren gesichert wurden, zugunsten der geschädigten Sozialversicherung verwertet.

Parallel zu den strafrechtlichen Konsequenzen hat die Hinterziehung von Sozialabgaben auch Folgen gegenüber der Sozialversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung wird regelmäßig bereits im Strafverfahren für die Schadensberechnung herangezogen. Auf dieser Basis wird sie dann selbst gegen den Betroffenen aktiv. Sie verlangt die Nachzahlung der hinterzogenen Sozialabgaben. Hinzu kommen erhebliche Zinsen für die Vergangenheit. Diese erhöhen die Forderung beträchtlich. Des Weiteren findet eine Verjährung rein faktisch nicht mehr statt. Das Gesetz sieht bei Hinterziehung von Sozialabgaben eine Verjährung von 30 Jahren vor (§ 25 SGB IV) Damit können für einen erheblich langen Zeitraum rückwirkend Sozialabgaben nacherhoben werden.

Welche Schutzkonzepte und Compliance-Bausteine gibt es?

Für die Beantwortung der Frage der Schutzkonzepte ist zwischen den obigen Fallgruppen zu unterscheiden. Die Zahlung von Schwarzlohn lässt sich auf der einen Seite durch die ordnungsgemäße Abführung der Sozialabgaben vermeiden. Auf der anderen Seite lässt das Gesetz einzelne Ausnahmen zu, in denen Arbeitnehmern Teile des Lohns steuer- und sozialabgabenfrei erhalten dürfen. Eine entsprechende Beratung kann hier legale Möglichkeiten aufzeigen. 

Ein Audit bringt Sicherheit bei der Aufdeckung von Risiken und korrekten Abwicklung eines Werkvertrages bzw. Dienstvertrages
Ein Audit bringt Sicherheit bei der Aufdeckung von Risiken und korrekten Abwicklung eines Werkvertrages bzw. Dienstvertrages

Bei Einsatz von fremdem Personal im eigenen Unternehmen empfiehlt sich ein Audit durch eine spezialisierte Kanzlei. Mit einer Auditierung des Einsatzes lassen sich frühzeitig Risiken aufdecken. Hierdurch können Unternehmen rechtzeitig den Einsatz auf eine andere Grundlage stellen. Ein Audit ist damit ein wichtiger Baustein in jedem Compliance-Management-System. Bei Einsatz von Selbständigen führt zudem das Statusverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung zu Rechtssicherheit. Allerdings empfiehlt sich auch hier anwaltlicher Rat, da das Statusverfahren oft zu Lasten der Unternehmen ausgeht. Bei Einsatz von Fremdpersonal aus dem Ausland sollte ein wichtiges Augenmerk auf Entsendebescheinigungen gelegt werden.

Ist hingegen der Zoll schon im Rahmen von Durchsuchungen aktiv geworden, sollte der beauftragte Firmenanwalt durch einen oder mehrere Spezialisten unterstützt werden. Dies ist aufgrund der enormen Auswirkungen zwingend erforderlich. Zudem kann die Zusammenarbeit zwischen dem Firmenanwalt und den Spezialisten wichtige Synergieeffekte auslösen. So kennt der Firmenanwalt das betroffene Unternehmen und die handelnden Personen meist seit vielen Jahren, während der Spezialist auf seinem Fachgebiet erhebliche Unterstützung mitbringt.

Herr Rechtsanwalt Andorfer berät Sie bei allen Fragen zur Verteidigung gegen den Vorwurf der Hinterziehung von Sozialabgaben
Herr Rechtsanwalt Andorfer berät Sie bei allen Fragen zur Verteidigung gegen den Vorwurf der Hinterziehung von Sozialabgaben

Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. Herr Rechtsanwalt Andorfer hilft Ihnen auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit,  Arbeits- und WirtschaftsstrafrechtDeutsches und Europäisches Sozialversicherungsrecht sowie Europarecht. Ebenso berät Sie Herr Andorfer bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er berät Sie über die Durchführung Ihrer Tätigkeit, auditiert die Abläufe in Ihrem Betrieb wie bei einer Zollprüfung und hilft Ihnen die Risiken zu reduzieren. Sie erreichen ihn per E-Mail (info@protag-law.com) und telefonisch unter 06221 33 863 – 0.