Abgrenzung arbeitsvertragliche Weisungen – werkvertragliche/dienstvertragliche Weisungen
Das Weisungsrecht beim Arbeitsvertrag und beim Werkvertrag/Dienstvertrag
Das deutsche Recht kennt bei verschiedenen Vertragstypen Weisungsrechte. Regelmäßig konkretisiert damit ein Vertragspartner die geschuldete Leistung. Aber auch in anderen Bereichen kann es zu Weisungen kommen, etwa in Bezug auf die Sicherheit in gefährlichen Bereichen, z.B. bei der Sicherheitsunterweisung und -anweisung. Üblicherweise spielen Weisungen bei rechtlichen Bewertungen regelmäßig allenfalls eine untergeordnete Rolle. Anders wird dies jedoch beurteilt, wenn es um die Abgrenzung zwischen Werkvertrag bzw. Dienstvertrag auf der einen Seite und Arbeitnehmerüberlassung bzw. Leiharbeit auf der anderen Seite geht. Ebenso stellen sich die Fragen bei der Abgrenzung zwischen der Tätigkeit von Arbeitnehmern und der Tätigkeit von Selbstständigen, Freelancern etc. Arbeitnehmer werden nämlich auf Basis eines Arbeitsvertrages tätig, Selbstständige auf Basis eines Werkvertrages bzw. Dienstvertrages.
Warum spielt die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen und werkvertraglichen/dienstvertraglichen Weisungen ein Rolle?
Die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen und werkvertraglichen bzw. dienstvertraglichen Weisungen spielt eine wichtige Rolle. Beim Einsatz von Fremdpersonal oder von Selbstständigen gibt es Fälle, die nicht klar sind. Für die Frage, ob ein Werkvertrag/Dienstvertrag oder einer Arbeitnehmerüberlassung/Leiharbeit bzw. ein Werkvertrag/Dienstvertrag oder ein Arbeitsvertrag vorliegt, stellt die Rechtsprechung nicht nur auf den schriftlichen Vertrag ab. Denn auch Richter wissen, dass Papier bekanntlich geduldig ist. Die Gerichte prüfen daher die tatsächliche Abwicklung. Aus dieser ergibt sich nämlich, was die Vertragsparteien wirklich gewollt haben. Ein wichtiges Kriterium für diesen Willen sind Weisungen.
Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt und in verschiedenen Gesetzen berücksichtigt. So regelt der Gesetzgeber für die Arbeitnehmerüberlassung etwa, dass sie gegeben ist, wenn Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen, § 1 Abs. 1 AÜG. Auf die gleiche Weise regelt der Gesetzgeber das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses in § 7 Abs. 1 SGB IV und § 611a BGB. Hiernach sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen sowie eine Eingliederung über einen Weisungsgeber. Aber auch beim Werkvertrag und Dienstvertrag sind Weisungen zulässig. So regelt § 645 Abs. 1 BGB die Verantwortlichkeit des Bestellers einer Werkleistung, wenn sie aufgrund einer Anweisung untergegangen ist. Auch beim Dienstvertrag werden Weisungen anerkannt.
Da Weisungen somit im Rahmen verschiedener Vertragstypen vorkommen, stellt sich die Frage, wie Weisungen einzuordnen sind.

Wie werden arbeitsvertragliche und werkvertragliche bzw. dienstvertragliche Weisungen voneinander abgegrenzt?
Die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen und werkvertraglichen bzw. dienstvertraglichen Weisungen ist in der Theorie sehr einfach. Beim Werkvertrag ist die Anweisung sachbezogen, ergebnisorientiert und gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Bei der Arbeitnehmerüberlassung bzw. Leiharbeit und beim Arbeitsverhältnis ist die Weisung personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert und beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und auch zur Motivation des Mitarbeiters.
In der Praxis ist die Abgrenzung jedoch sehr schwierig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Übergänge bisweilen auch fließend sind. So ist der Auftraggeber eines Werkvertrags berechtigt, das geschuldete Gewerk bis ins kleinste Detail zu beschreiben. Die Ausführung obliegt jedoch dem Auftragnehmer des Werkvertrags. Erschwerend kommt hinzu, dass in seltenen Fällen auch Weisungen erlaubt sind, die sich nicht auf das Gewerk beziehen. Zudem verlangt die Rechtsprechung eine gewisse Intensität der Weisungen. Wo genau die Grenze verläuft, lässt sich daher nicht immer genau darstellen.
Was droht bei fehlerhafter Abgrenzung von arbeitsvertraglichem Weisungsrecht zum werkvertraglichen/dienstvertraglichen Anweisungsrecht?
Die Rechtsfolgen fehlerhafter Weisungen sind erheblich. Beim Werkvertrag/Dienstvertrag droht verdeckte Leiharbeit und damit regelmäßig illegale Arbeitnehmerüberlassung. Wird eine verdeckte Leiharbeit angenommen, gehen automatisch die Arbeitnehmer des Auftragnehmers auf den Auftraggeber über, § 9, § 10 AÜG. Zusätzlich droht ein empfindliches Bußgeld, § 16 AÜG. Noch schwerer wiegt eine mögliche Einziehung. So soll nach § 17 Abs. 4 OWiG ein möglicher Gewinn durch ein Bußgeld abgeschöpft werden. Damit kann die Zollbehörde den gesetzlichen Bußgeldrahmen erheblich überschreiten. Bei der Bruttoabschöpfung droht sogar eine erneute Zahlung der bisher erbrachten Werkvergütung. Werden Arbeiter aus Drittstaaten eingesetzt, drohen sogar Straftaten.

Teilweise noch gravierender sind die Folgen der fehlerhaften Abgrenzung von arbeitsvertraglichen und werkvertraglichen bzw. dienstvertraglichen Weisungen beim Einsatz von Selbstständigen. Liegt hier kein Werkvertrag bzw. Dienstvertrag vor, so ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen. Im Arbeitsverhältnis muss der Arbeitgeber, der ehemalige Auftraggeber, Lohnsteuer und Sozialabgaben abführen. Verstößt er hiergegen, was regelmäßig bezüglich der Sozialabgaben der Fall ist, begeht er eine Hinterziehung von Sozialabgaben, § 266a StGB. Zudem geht regelmäßig eine Hinterziehung der Umsatzsteuer damit einher, § 370 AO. Dies liegt daran, dass ein Arbeitnehmer keine Rechnung mit Umsatzsteuer stellen kann, was die Selbstständigen getan haben. Soweit aus diesen unzulässigen Rechnungen die Vorsteuer gezogen wurde, wurde die Umsatzsteuer in entsprechender Höhe hinterzogen.

Wie erlangen Unternehmen Rechtssicherheit?
Die Rechtsprechung stellt auf den Charakter der Weisungen ab. Es kommt damit darauf an, welche Arten von Weisungen ausgesprochen werden. In der Praxis werden diese oft vom Führungspersonal des Auftraggebers vor Ort ausgesprochen. Soweit seitens des Auftragnehmers Vorarbeiter eingesetzt werden, sind diese oft Adressat der Weisungen. Von daher ist es wichtig, beide Personengruppe auf das Problem hin zu sensibilisieren. Hierfür bieten sich zwei Möglichkeiten an, die kombiniert benutzt werden sollten und die zugleich einen wichtigen Baustein im Compliance-Management-System der betroffenen Unternehmen darstellen.
Zum einen bietet sich an, die betroffenen Personenkreise zu schulen. Das Führungspersonal des Auftraggebers und die Vorarbeiter des Auftragnehmers werden in einer derartigen Schulung über die Grundlagen eines rechtskonformen Einsatzes informiert. Sie erhalten Informationen zu arbeitsvertraglichen Weisungen auf der einen Seite und werkvertraglichen bzw. dienstvertraglichen Anweisungen auf der anderen Seite. Zudem werden sie über die Rechtsfolgen informiert. Durch eine offene Fragerunde können die betroffenen Personenkreise auch die täglichen Praxisprobleme schildern und vom Schulungsleiter hier wichtige Hinweise einholen. Hierdurch lässt sich das Risiko fehlerhafter Weisungen minimieren.

Zudem empfiehlt sich die Auditierung der Abwicklung vor Ort. Im Rahmen der Audits werden die praktischen Abläufe vor Ort aufgenommen und eingesetzte Mitarbeiter interviewt. Hierdurch wird ein Einblick in die Struktur gegeben und Kenntnisse darüber erlangt, welche Weisungen konkret erfolgen. Diese lassen sich juristisch in arbeitsvertragliche oder werkvertragliche bzw. dienstvertragliche Weisungen einordnen. Sofern hierbei problematische Weisungen aufgedeckt werden, besteht am Ende die Möglichkeit gegenzusteuern oder den Einsatz auf eine andere vertragliche Grundlage zu stellen.
Sollten Sie also Fragen haben, können Sie sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Christian Andorfer wenden. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf.

Herr Rechtsanwalt Andorfer hilft Ihnen auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit, Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, Deutsches und Europäisches Sozialversicherungsrecht sowie Europarecht. Ebenso berät Sie Herr Andorfer bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er berät Sie über die Durchführung Ihrer Tätigkeit, auditiert die Abläufe in Ihrem Betrieb wie bei einer Zollprüfung und hilft Ihnen die Risiken zu reduzieren. Sie erreichen ihn per E-Mail (andorfer@protag-law.com) und telefonisch unter 06221 338 63-0.