Haftung eines Geschäftsführers für die Zahlung des Mindestlohns? – BAG – 8 AZR 120/22
Sachverhalt: Haftet ein Geschäftsführer für die Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns gegenüber den Arbeitnehmern?
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien darüber, ob Geschäftsführer (die Beklagten) einer GmbH (im Folgenden Schuldnerin) einem Arbeitnehmer (dem Kläger) zum Schadensersatz wegen unterbliebener Vergütungszahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet sind.
Wegen teilweiser monatelang verspätet gezahlter Arbeitsvergütung machte der Kläger im Jahr 2017 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend. Im Monat Juni 2017 erbrachte er für die Schuldnerin keine Arbeitsleistung. Die Schuldnerin leistete an den Kläger für den Monat Juni 2017 keine Vergütung.
Mit seiner Klage nimmt der Arbeitnehmer die Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen von der Schuldnerin für den Monat Juni 2017 nicht geleisteter Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch. Die Geschäftsführer haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Während das Arbeitsgericht die Klage abwies und das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückwies, verfolgte der Kläger mit der Revision sein Schadensersatzbegehren weiter.
Entscheidung des BAG: Geschäftsführer haften nicht für die Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns
Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer gegen die Geschäftsführer der GmbH keinen Anspruch auf Schadenersatz hat. Die Beklagten haften nämlich als Geschäftsführer der Schuldnerin dem Kläger nicht persönlich für die unterbliebene Zahlung des Mindestlohns.
Nach der gesetzlichen Wertung ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr haftet eine GmbH als Arbeitgeberin aufgrund der gesetzlichen Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG für durch Verstöße gegen gesetzliche Ver- und Gebote entstehende Schäden ausschließlich mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung der Geschäftsführer sieht das Gesetz nicht vor.
Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung betrifft nur Schadenersatzansprüche gegenüber der Gesellschaft
Zwar umfasst die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sog. Legalitätspflicht). Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. Aus der Regelung in § 43 Abs. 2 GmbHG wird deutlich, dass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, nicht hingegen der Gläubiger der Gesellschaft entstehen lässt.
Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist. Dieser Haftungsgrund ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beklagten sind dem Kläger nicht nach den Bestimmungen in § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr.1 OWiG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG stellt kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft iSv. § 823 Abs. 2 BGB dar.
Die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin sind allerdings taugliche Täter einer Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, auch wenn sich die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns aus § 20 MiLoG nicht an sie richtet.
Fazit: Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichtzahlung des Mindestlohns gegenüber dem Geschäftsführer
Aus dem Urteil wird ersichtlich, dass ein Arbeitnehmer, der bei einer GmbH tätigt ist, gegenüber deren Geschäftsführern keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen der Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns hat. In diesem Fall haftet nur die GmbH als Arbeitgeberin mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Anderenfalls würde es zur Folge haben, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer Vielzahl von Fällen im Hinblick auf die Zahlung des Mindestlohns über die GmbH als ihren Vertragsarbeitgeber hinaus mit dem Geschäftsführer bzw. den Geschäftsführern einen weiteren bzw. weitere Schuldner hätten.
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