Tarifverträge der Zeitarbeit weiter wirksam – BAG lässt Abweichung von Equal Pay zu
Am 15.12.2022 kam für Zeitarbeitsfirmen in Deutschland die Frage auf, ob die Tarifverträge der Zeitarbeit wirksam vom Equal-Pay-Grundsatz abweichen können.
Ausgangspunkt war eine Entscheidung des EuGH. Geklagt hatte eine Zeitarbeiterin, die als Kommissioniererin einem Unternehmen des Einzelhandels überlassen worden war. Hier hat sie 9,23 € pro Stunde verdient. Die Stammbeschäftigten erhielten einen Stundenlohn von 13,64 €. Das Bundesarbeitsgericht hatte dem EuGH unter anderem die Frage vorgelegt, ob die deutschen Tarifverträge wirksam vom Equal-Pay-Grundsatz abweichen konnten. Der EuGH bejahte dies grundsätzlich, für gewisse Konstellationen stellte sich aber die Frage, ob die deutschen Tarifverträge dem Equal-Pay-Gebot standhalten würden. Das Bundesarbeitsgericht bejahte dies nun. Es liegt zwar bislang nur eine Pressemitteilung vor, aus dieser ergeben sich jedoch bereits die wesentlichen Argumente.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten. Aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit des auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifwerks von iGZ und ver.di war das Zeitarbeitsunternehmen nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF nur verpflichtet, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Dieses Tarifwerk genügt, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Zeitarbeiter, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL. Die Klägerin hat zwar einen Nachteil erlitten, weil sie eine geringere Vergütung erhalten hat, als sie erhalten hätte, wenn sie unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz von dem entleihenden Unternehmen eingestellt worden wäre. Eine solche Schlechterstellung lässt aber Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL ausdrücklich zu, sofern dies unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt. Dazu müssen nach der Vorgabe des EuGH Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. Ein möglicher Ausgleichsvorteil kann nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl bei unbefristeten als auch bei befristeten Arbeitsverträgen mit Zeitarbeitern die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten sein. Anders als in einigen anderen europäischen Ländern sind verleihfreie Zeiten nach deutschem Recht auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen stets möglich, etwa wenn – wie im Streitfall – der Zeitarbeiter nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird oder der Entleiher sich vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Zeitarbeiter vorbehält. Das Tarifwerk von iGZ und ver.di gewährleistet die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Außerdem hat der deutsche Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG für den Bereich der Zeitarbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 BGB, der an sich abdingbar ist, gegenüber Zeitarbeitern nicht abbedungen werden kann. Auch hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung die staatlich festgesetzten Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten darf. Zudem ist seit dem 1. April 2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Zeitarbeitsverhältnisses begrenzt.
Zeitarbeitsunternehmen können somit, wie bisher, die deutschen Tarifverträge einsetzen und vom Equal-Pay-Grundsatz abweichen.
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