Eingeschränkter Geltungsbereich des Fremdpersonaleinsatzverbots auf Betriebe der Fleischwirtschaft? BFH VII B 9/22, Beschluss vom 03.05.2023
Sachverhalt: Welche Tätigkeiten eines Betriebs der Fleischwirtschaft sind vom Fremdpersonaleinsatzverbot nicht betroffen?
Im vorliegenden Fall geht es um zwei Beschwerden, einerseits der Antragstellerin, andererseits des für sie zuständigen Hauptzollamtes (HZA).
Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen Hersteller von sog. Convenience-Produkten im Standort A. Die Antragstellerin begehrte beim Finanzgericht Hamburg (FG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung, dass sie am Standort in A kein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG sei. Hilfsweise beantragte sie die vorläufige Feststellung, dass bestimmte Betriebsbereiche nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung i.S. von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6a Abs. 2 des GSA Fleisch unterfallen. Die Antragstellerin ist der Ansicht, in ihrem Betrieb werden arbeitszeitlich überwiegend verzehrfertige Nahrungsmittel verpackt, gelagert und vertrieben. Insoweit findet kein Herstellungs- oder Verarbeitungsvorgang statt, sondern es wird eine reine Handelstätigkeit betrieben.
(Das FG Hamburg stellte fest, dass es sich bei der Antragstellerin um einen Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG handelt, ging aber davon aus, dass es einem Betrieb der Fleischwirtschaft nicht generell untersagt ist, Fremdpersonal einzusetzen. Vielmehr gilt das Fremdpersonaleinsatzverbot nicht für Bereiche außerhalb der Fleischverarbeitung. Dementsprechend unterfallen die Arbeitsschritte, die der Herstellung des verpackten Nahrungsmittels nachfolgten oder die nicht am Produkt selbst vorgenommen werden, nicht der Fleischverarbeitung.)
Weiterhin teilte die Antragstellerin mit, dass seitens des HZA am 30.08.2022 eine Prüfungsverfügung gemäß §§ 2 ff. SchwarzArbG ergangen ist. Gegenstand der Prüfung waren insbesondere die hier relevanten Pflichten der Antragstellerin aus dem GSA Fleisch gewesen. Auf Nachfrage hat die Prüfbehörde zudem mitgeteilt, dass sie der Ansicht ist, dass es sich bei der Antragstellerin um einen Betrieb der Fleischwirtschaft handelt.
Aus diesem Grund beantragte die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde festzustellen, dass sie am Standort in A kein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG ist.
Gleichwohl erhob das HZA seinerseits Beschwerde und beantragte, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, dass am Standort der Antragstellerin in A folgende Betriebsbereiche nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung i.S. von § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfallen: „Verpackungsabteilung“, „Tiefkühl- und Hilfs-/ Betriebsstofflager“, „Verwaltung, Qualitätssicherung und Werkstatt“.
Entscheidung des BFH: Die Tätigkeiten außerhalb der Fleischverarbeitung sind vom Fremdpersonaleinsatzverbot nicht betroffen
Auch wenn das Gericht den Betrieb der Antragstellerin aufgrund der dort stattfindenden Verarbeitung von Fleischteilen (Betriebszweck) als Betrieb der Fleischwirtschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG zuordnet, stellt nun der BFH – wie eingangs das FG Hamburg im Beschluss vom 20.05.2021, 4 V 32/21 – fest, dass die Beschwerde des HZA unbegründet ist, weil das FG nach summarischer Prüfung zu Recht die Bereiche „Verpackungsabteilung“, „Tiefkühl- und Hilfs-/Betriebsstofflager“, „Verwaltung, Qualitätssicherung und Werkstatt“ nicht der Fleischverarbeitung zugeordnet hat.
Das Verbot des Fremdpersonaleinsatzes betrifft Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung
Diesbezüglich hob der BFH hervor, dass gemäß § 2 Abs. 1 GSA Fleisch dieses Gesetz für die Fleischwirtschaft gilt, zu der Betriebe i.S. von § 6 Abs. 9 AEntG gehören. Demnach handelt es sich bei Betrieben der Fleischwirtschaft um Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird. Außerdem werden damit Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen angesprochen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Gemäß § 6 Abs. 9 Satz 2 AEntG umfasst das Schlachten alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Nach § 6 Abs. 9 Satz 3 i.V.m. Satz 4 AEntG umfasst die Verarbeitung alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung, es sei denn, die Behandlung, Portionierung oder Verpackung erfolgt auf Anforderung des Endverbrauchers.
Wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GSA Fleisch und § 6a Abs. 2 Satz 1 GSA Fleisch ergibt, unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Betrieben der Fleischwirtschaft und dem Bereich der Fleischverarbeitung. Das Fremdpersonaleinsatzverbot ist demnach nach § 6a Abs. 2 GSA Fleisch (neben dem Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung) auf den Bereich der Fleischverarbeitung beschränkt. Dies spricht dafür, dass nicht alle Tätigkeiten eines Unternehmens diesem Verbot unterliegen, auch wenn das Unternehmen insgesamt als solches der Fleischwirtschaft zuzuordnen ist.
Eine Verpackung der bereits versiegelten Ware in Kartons und das Bestücken von Paletten, um die Waren befördern zu können, sind auch bei anderen Waren erforderlich und haben keinen spezifischen Bezug zur Verarbeitung von Fleisch.
Tätigkeit der Antragstellerin bedarf einer weiteren genaueren Betrachtung im Hauptsachenverfahren.
Im vorliegenden Fall verarbeitet die Antragstellerin zwar Fleischstücke, aber stellt im Ergebnis Convenience-Produkte her, was dafür spricht, dass im fraglichen Betrieb mehrere Verarbeitungsschritte durchgeführt werden, die der eigentlichen Verarbeitung der Fleischstücke nachgelagert sind. Zudem hat die Antragstellerin bei der Bundesagentur für Arbeit eine Einordnung in die Wirtschaftsunterklasse „10850 Herstellung von Fertiggerichten“ erreicht, was ebenfalls ein Indiz dafür darstellt, dass es im Betrieb der Antragstellerin und wahrscheinlich auch am Standort in A Verarbeitungsschritte gibt, die von der Fleischverarbeitung zu unterscheiden sind.
Ob die umfassten Tätigkeitsbereiche im Zusammenhang mit der Fleischverarbeitung stehen, bedarf einer genaueren Betrachtung im Hauptsacheverfahren.
Fazit: Das Fremdpersonaleinsatzverbot im GSA Fleisch gilt nicht für Tätigkeiten außerhalb der Fleischverarbeitung
In seinem Beschluss bekräftigte der BFH, dass Verpackungsabteilung, Tiefkühl- und Hilfs-/Betriebsstofflager, Verwaltung, Qualitätssicherung und Werkstatt nicht der Fleischverarbeitung zugeordnet sind und dadurch vom Fremdpersonaleinsatzverbot nicht betroffen sind. Der BFH stellte auch fest, dass, selbst wenn ein Betrieb der Fleischwirtschaft zuzuordnen ist, nicht alle Tätigkeit dieses Unternehmens dem Fremdpersonaleinsatzverbot unterliegen.
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