Warum die seit 2013 geltende Rundfunkabgabe verfassungswidrig ist

Das Interview mit unserem Kollegen Herrn Dr. Hennecke, der Ausschnitt aus der Sendung vom 16.05.2018 auf tagesschau.de.

Unsere Kanzlei hat das Mandat für eine Verfassungsbeschwerde gegen die seit 2013 geltende Rundfunkabgabe beim Bundesverfassungsgericht.  Beim Bundesverfassungsgericht sind derzeit rund 150 Verfassungsbeschwerden gegen die Rundfunkabgabe anhängig. Hunderte Verfahren gegen die Rundfunkabgabe liegen außerdem bei den Verwaltungsgerichten vor. Vier ausgesuchte Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht am 16. Mai 2018 mündlich verhandelt. Eine Entscheidung steht noch aus. Damit liegen die Gründe für die Verfassungswidrigkeit der Rundfunkabgabe unverändert und unwiderlegt vor. Die Rundfunkabgabe ist im Wesentlichen aus den folgenden Gründen verfassungswidrig:

1. Die Rundfunkabgabe als „Beitrag“ im finanzverfassungsrechtlichen Sinne?

1.1. Rundfunkabgabe als „Beitrag“

Die Landesgesetze zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bezeichnet die Rundfunkabgabe ausdrücklich als „Beitrag“. Damit kann nur der „Beitrag“ im finanzverfassungsrechtlichen Sinne gemeint sein. Daran ist festzuhalten. Der Gesetzgeber hat sich für diese Form der Rundfunkfinanzierung entschieden und ist daher beim Wort zu nehmen.

1.2. Keine Erfüllung von finanzverfassungsrechtlichen Bedingungen

Die Rundfunkabgabe erfüllt jedoch nicht die finanzverfassungsrechtlichen Bedingungen für einen „Beitrag“.

1.2.1. Ein allgemeiner Vorteil aus öffentlichen Leistungen

Öffentliche Leistungen, die die öffentliche Hand erbringt und die grundsätzlich jedermann zugänglich sind (z. B. Universitäten, Parkanlagen, öffentliche Verkehrsmittel, Straßen, Gerichte), begründen auch für jedermann einen Vorteil. Der Vorteil ist ein allgemeinerund besteht in der prinzipiellen Möglichkeit für jedermann, die öffentliche Leistung zu nutzen. Öffentliche Leistungen werden grundsätzlich über die öffentlichen Haushalte finanziert. Die Einnahmequelle für die öffentlichen Haushalte ist ganz überwiegend das Steueraufkommen. Zwischen den jeweiligen Tatbeständen des Steuerrechts und den öffentlichen Leistungen besteht kein sachlicher und in der Regel auch kein rechtlicher Zusammenhang. Gegenstand und Volumen der öffentlichen Leistungen werden in den Haushaltsgesetzen nach politischen Prioritätsentscheidungen bestimmt.

1.2.2. Kein Tatbestand für eine außersteuerliche Abgabe

Soll eine öffentliche Leistung jedoch über eine außersteuerliche Abgabefinanziert werden, muss der Gesetzgeber die finanzverfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Zulässigkeit der außersteuerlichen Abgabe beachten. Die Bereitstellung und Vorhaltung der öffentlichen Leistung ist jedoch für sich allein noch kein Tatbestand für eine außersteuerliche Abgabe. Wäre dies der Fall,  könnte für jede beliebige öffentliche Leistung als solche bereits eine Abgabe erhoben werden (z. B. Universitätsabgabe, Parkanlagenabgabe, Eisenbahnabgabe, Straßenabgabe). Das wäre das Ende der Finanzverfassung.  Es müssen im Falle außersteuerlicher Abgaben auf öffentliche Leistungen vielmehr zusätzliche Bedingungenhinzutreten. Diese zusätzlichen Bedingungen bestehen zum einen in der Bestimmung der öffentlichen Leistung, für die die Abgabe erhoben wird, im Wortlaut des Gesetzes und zum anderen in der Definition eines Personenkreises, dem der allgemeine Vorteil, den die öffentliche Leistung gewährt, als besonderer, spezifischer Vorteil nach in der Sache liegenden Kriterien zugerechnet werden kann. Dieser Personenkreis kann nicht mit der Allgemeinheit identisch sein, die den allgemeinenVorteil genießt, sondern muss sich von der Allgemeinheit insofern unterscheiden, als die öffentliche Leistung diesem Personenkreis einen besonderenVorteil verschafft, den die Allgemeinheit nicht hat.

Unter diesen Voraussetzungen kann eine Gebührberechtigt sein, die auf einem willentlich zumindest beeinflussbaren Äquivalenzverhältnis besteht (z. B. Studiengebühr, Abfallgebühr) oder ein Beitrag, der einen abstrakten, aber individuell zurechenbaren Vorteil abgilt (z. B. Erschließungsbeitrag, Sozialversicherungsbeitrag).

1.2.3. „Beitrag“ für den Rundfunkempfang als eine sachwidrige Wohnungsabgabe

Im Falle der Rundfunkabgabe ist die öffentliche Leistung, deren Vorteil individuell abgegolten werden soll, im Wortlaut des Gesetzes nicht bestimmt und ist die Bestimmung des Kreises der Begünstigten mit dem Abgabentatbestand Wohnung schlechterdings nicht sachgerecht. Das Gesetz definiert den Kreis der Personen, die den Vorteil der Rundfunknutzung individuell abgelten sollen, über die Innehabung einer Wohnung. Dem Inhaber einer Wohnung aber kommt der allgemeine Nutzungsvorteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht spezifisch und nicht im Unterschied zur Allgemeinheit in besonderem Maße zugute. Die Wohnung hat mit dem Rundfunkempfang, der an allen Orten mit einer Fülle von Geräte möglich ist, nichts zu tun. Gerade die Allgemeinheitdes Rundfunkempfangs, die von den Rundfunkanstalten auch immer wieder betont wird, schließt einen besonderenVorteil gerade des Wohnungsinhabers aus. Das Gesetz verwandelt den gewollten „Beitrag“ für den Rundfunkempfang in eine sachwidrige Wohnungsabgabe.

1.2.4. Grundrechtseingriffe

Mit der „Wohnung“ als „Anknüpfungspunkt“ für die Abgabenschulderschaft wird überdies ein Tatbestand normiert, der eine ganz eigene Dynamik entwickelt und sich geradezu als Sprengsatz in der Rechtsordnung auswirkt. Der Tatbestand „Wohnung“ verwandelt den „Rundfunkbeitrag“ in eine Wohnungsabgabe. Gravierende Grundrechtseingriffe (Art. 2 Absatz 1 Art. 3 Absatz 1, Art. 11 Absatz 1 GG) sind die Folge: Systematische Wohnungsrecherche und Datenerhebung, geheimer elektronischer Meldedatenabgleich, zentrale Datensammlung über sämtliche Bürger beim „Beitragsservice“ in Köln, lebenslange Belastung der Wohnung als der Grundform bürgerschaftlicher Existenz: das alles steht zum Zweck der Rundfunkfinanzierung außer jedem Verhältnis und beruht allein auf dem unmäßigen Tatbestand  „Wohnung“, der ein Übermaß an Belastung hervorbringt.

1.2.5. Wohnung als Definitionsmerkmal eines abgabenpflichtigen Personenkreises

Ließe man die Wohnung als Definitionsmerkmal eines abgabenpflichtigen Personenkreises zu, könnte jede beliebige öffentliche Leistung, die etwa von der Wohnung aus erreichbar wäre, mit einer außersteuerlichen Abgabe belegt werden (z. B. Gehwegabgabe, Spielplatzabgabe, Schulabgabe). Der Tatbestand„Wohnung“ entgrenzt den Abgabentatbestand ins Unermessliche. Aber nur mit der Begrenzung des Abgabentatbestandes ist eine außersteuerliche Abgabe überhaupt verfassungsgemäß.

1.2.6. Keine Mitwirkungsrechte der Betroffenen beim „Rundfunkbeitrag“

Sämtliche in der Rechtsordnung geltende Beitragsregelungen enthalten typischerweise Mitwirkungsrechte der Betroffenen (z. B. Kommunalwahlrecht, Sozialwahlen, Kammerselbstverwaltung).  Hierdurch werden die mit der Beitragsregelung verbundenen Grundrechtseingriffe (zumindest teilweise) kompensiert.  Beim „Rundfunkbeitrag“ fehlt eine solche Mitwirkung der Betroffenen.

2. Verstoß der Rundfunkabgabe gegen die verfassungsmäßige Ordnung

Die Rundfunkabgabe verstößt aus mehreren Gründen gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

2.1. Rundfunk außerhalb des demokratischen Legitimationszusammenhangs

Die Rundfunkanstalten verfügen über Selbstverwaltung für ihren inneren Bereich. Der Bürger als Abgabenschuldner hat nicht Teil an der Selbstverwaltung der Rundfunkanstalten und ist daher deren Selbstverwaltungshoheit nicht unterworfen. Der tatsächliche Empfang des Rundfunks ist auch keine Anstaltsnutzung, die durch eine Gebühr abgegolten werden dürfte, da die Rundfunkabgabe gerade die tatsächliche Nutzung nicht voraussetzt und erklärtermaßen auch nicht als „Gebühr“ im finanzverfassungsrechtlichen Sinne ausgestaltet ist.  Die Erhebung der  Rundfunkabgabe als einer außersteuerlichen landesrechtlichen Abgabe durch hoheitliche „Feststellungsbescheide“ der Rundfunkanstalten greift demgegenüber über den Bereich der Selbstverwaltung hinaus in das Allgemeine Gewaltverhältnis Staat-Bürger hinein.  Soll diese Ausübung hoheitlicher Gewalt verfassungsrechtlich zulässig sein, muss die Behörde, die im Außenverhältnis hoheitlich handelt, der Fachaufsicht durch die Landesregierung unterliegen, parlamentarischer Kontrolle zugänglich sein und damit insgesamt im demokratischen Legitimationszusammenhang stehen.  Indem es der Landesgesetzgeber versäumt hat, die rechtlichen Voraussetzungen für die Fachaufsicht über die Rundfunkanstalten zu schaffen, insoweit sie Hoheitsakte im Allgemeinen Gewaltverhältnis erlassen, stellt er den Rundfunk außerhalb des demokratischen Legitimationszusammenhangs. Der Bürger ist somit einer öffentlichen Gewalt ausgesetzt, die nicht im demokratischen Legitimationszusammenhang steht.

Die hoheitlichen Befugnisse der Rundfunkanstalten im Allgemeinen Gewaltverhältnis werfen eine Grundsatzfrage des Verfassungs- und Verwaltungsrechts auf, die durch das Bundesverfassungsgericht zu klären ist.

2.2. Eine faktische Bundesbehörde in Köln

Die Rundfunkanstalten der Länder halten mit dem „Beitragsservice“ in Köln eine behördliche Einrichtung vor, die zentral für das gesamte Bundesgebiet tätig wird. Damit wird von den Landesrundfunkanstalten eine faktische Bundesbehördegeschaffen, die keine landesspezifischen Aufgaben mehr wahrnimmt. Diese faktische Bundesbehörde steht zum föderativen Prinzip des Grundgesetzes im Widerspruch.

2.3. Die außer Acht gelassene landesspezifische Situation

Die gleichlautenden Landesgesetze über die Rundfunkabgabe, die sich zugleich an der Bundestatistik als sachlicher Grundlage ihrer Regelungen orientieren, lassen jede landesspezifische Eigenart und jede Berücksichtigung landesspezifischer Sachverhalte und Statistiken vermissen. Die landesspezifische Situation, von der sich die Landeshoheit erst legitimiert, wird zugunsten einer bundeseinheitilichen Homogenität  außer Acht gelassen.  Diese Homogenität steht zum föderativen Verfassungsprinzip im Widerspruch.

2.4. Umfassende Herrschaft der Rundfunkanstalten über die existentiellen Grundlagen der gesamten Bevölkerung

Der Tatbestand „Wohnung“, der von den Rundfunkanstalten als „Raumeinheit“ definiert wird, begründet über die zentrale Erfassung aller Wohnungen und Wohnungsinhaber beim „Beitragsservice“ in Köln eine umfassende Herrschaft der Rundfunkanstalten über die existentiellenGrundlagen der gesamten Bevölkerung.  Eine solche universale Herrschaft steht zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die zu sonstigen öffentlichen Aufgaben nur peripher ist, außer jedem Verhältnis.

2.5. Ein unaufgelöster Binnenwiderspruch

Das Rundfunkabgabensystem leidet an dem unaufgelösten Binnenwiderspruch, der immer wieder aufbricht, dass einerseits die allgegenwärtige Möglichkeit des Rundfunkempfangs abgegolten werden soll, andererseits aber allein und dezidiert der Abgabentatbestand „Wohnung“ normiert wird. Ein Gesetzgeber kann aber nicht das eine meinen und das andere regeln. Das Verfassungsprinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung steht entgegen.

3. Verstöße der Rundfunkabgabe gegen Grundrechte

 Die Rundfunkabgabe verstößt gegen mehrere Grundrechte.

3.1. Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Absatz 1 GG

Indem die Rundfunkabgabe kein verfassungsrechtlich zulässiger Beitrag ist und insgesamt zur verfassungsmäßigen Ordnung im Widerspruch steht, ist die Abgabe nicht geeignet, die allgemeine Handlungsfreiheitnach Art. 2 Absatz 1 GG durch eine Zahlungspflicht einzuschränken.

3.2. Verstoß gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Art. 2 Absatz 1 GG

Indem ein Verfahren praktiziert wird, das Wohnung und Person des Bürgers ohne sein Wissen und ohne seinen Willen ermittelt, das  ohne sein Wissen und ohne seinen Willen ein Dossier anlegt („Beitragsnummer“),  das ohne sein Wissen und ohne seinen Willen die persönlichen Daten elektronisch erfasst, das ohne sein Wissen und ohne seinen Willen einen regelmäßigen elektronischen Meldedatenabgleich mit den örtlichen Meldebehörden durchführt und das eine zentrale Speicherung des Mobilitätsverhaltens der gesamten Bevölkerung beim „Beitragsservice“ entstehen lässt, verstößt die Rundfunkabgabe gegen des Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Art. 2 Absatz 1 GG.  

3.3. Keine Vereinbarung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Absatz 1 GG

Die Ausgestaltung der Rundfunkabgabe ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Absatz 1 GG nicht vereinbar.

Über die große Zahl von Wohnungsinhabern, die keinen Rundfunk empfangen und auch nicht empfangen wollen, kann man nicht einfach als unvermeidlichen Kollateralschaden einer „Egalisierung“ oder „Typisierung“ hinweggehen. Die große Zahl der Rundfunkverweigerer, die sich auch in den zahlreichen verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Verfahren und auch in mehreren  öffentlichen Initiativen und Protestaktionen  zeigt, ist keine vernachlässigbare Größe, sondern ein erheblicher Teil der Bevölkerung. Diese Zahl kann aus Gründen einer „Verwaltungsvereinfachung“ nicht schlicht ignoriert werden.

Das Argument, man mache bei der Personalisierung der Rundfunkabgabe vor Wohnungsgemeinschaften Halt, weil man die Familien schonen wolle, übersieht, dass nicht alle Wohngemeinschaften in Familienbindung stehen und dass die interne Verteilung der Abgabenlast auch Zwist in die Familien hineinträgt.

Die Rundfunkabgabe belastet Haushalte mit mehreren Personen einfach, mehrfache Haushalte einer einzelnen Person aber mehrfach. Auch hierin liegt eine nicht begründbare Ungleichbehandlung

Das Argument, an der Sicherstellung einer qualifizierten öffentlichen Meinungsbildung als Voraussetzung eines demokratischen Gemeinwesens müsse sich jedermann auch durch einen Finanzbeitrag beteiligen („Demokratieabgabe“), verfängt gegenüber ausländischen Mitbürgern nicht, die aber trotzdem zur Rundfunkabgabe herangezogen werden.  Hier wäre Differenzierung geboten.

3.4. Verstoß gegen das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 GG

Die Rundfunkabgabe bindet das private Haushaltsbudget zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und entzieht somit dem Privathaushalt Finanzmittel, die sonst für die freie Wahl eines anderen Informationsmittels zur Verfügung stünden. Zusätzlich entsteht durch die Zahlungsverpflichtung auch die Motivation, die Informationsquelle, für die man zahlen muss, dann auch zu nutzen. Die Rundfunkabgabe erzeugt daher eine Lenkungswirkung zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.  Die Rundfunkabgabe verstößt damit gegen das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 GG.

Wenn dem Rundfunk selbst das Grundrecht der Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung nach Art. 5 Absatz 2 GG zusteht, muss dem spiegelbildlich die Freiheit des Bürgers entsprechen, diese Information und deren Finanzierung seinerseits abzulehnen. Es geht nicht an, dass der eine die Freiheit hat, die der andere bezahlen soll.

3.5. Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit nach Art. 11 Absatz 1 GG

Die Rundfunkabgabe belastet die Wohnung mit einer unentrinnbaren Zahlungspflicht. Die Belastung der Wohnung als scheinbar nur verwaltungstechnisches Mittel für die Herbeiführung einer angeblichen Abgabengerechtigkeit hat eine Dimension, die weit über den vordergründigen Regelungszweck hinausgeht.

Das Grundrecht auf Freizügigkeit nach Art. 11 Absatz 1 GG beinhaltet als dessen sachimmanente und selbstverständliche Voraussetzung das Recht auf Wohnsitznahme. Wohnsitznahme und Wohnung  sind Grundvoraussetzung jeder bürgerschaftlichen Existenz. Dieses Grundrecht kann nicht eingeschränkt werden und steht jeder öffentlichen Belastung, die mit der Wohnung nichts zu tun hat, entgegen. Die Abgabe auf die Wohnung, die einem nur am Rande liegenden öffentlichen Zweck dienen soll, steht zu dem Fundamentalgrundrecht der Wohnung außer jedem Verhältnis. Wo auch immer jemand eine Wohnung nimmt – der Rundfunk ist schon da.  Die Rundfunkabgabe auf die Wohnung verfolgt den Bürger ein Leben lang. Der Abgabe kann nur entrinnen, wer stirbt, auswandert oder sich obdachlos macht. Die Abgabe auf die Grundform menschlicher Existenz ist  eine singuläre Belastung und in der Rechtsordnung ohne Beispiel.

4. Der Bußgeldtatbestand als Überregulierung

Der Bußgeldtatbestand in § 12 der Beitragsgesetze ist schlicht verfassungswidrig. Allein die Nichtzahlung bei Fälligkeit – somit auch ohne vorherigen „Feststellungsbescheid“- begründet eine Ordnungswidrigkeit. Allein hierin liegt bereits eine maßlose Überregulierung. Wo gibt es das, dass bereits ein Zahlungsverzug als solcher eine Ordnungswidrigkeit auslöst! Diese Norm steht zu dem Lebenssachverhalt außer jedem Verhältnis.

Darüber hinaus: Wer gegen die Rundfunkabgabe um Rechtsschutz nachsucht, daher naturgemäß nicht zahlt und erst einen „Feststellungsbescheid“ abwartet, gerät allein deswegen nach der Gesetzeslage in einen Zustand der Rechtswidrigkeit. Dass man sich aber erst rechtswidrig verhalten muss, um überhaupt Rechtsschutz erlangen zu können, ist ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Absatz 4 Satz GG.

5. Das Kollidieren der Rundfunkabgabe mit dem Europäischen Recht

Beim Europäischen Gerichtshof ist ein Verfahren wegen der Rundfunkabgabe anhängig (Rechtssache C 492/17). Dieses Verfahren versetzt das Bundesverfassungsgericht in das Dilemma, im Falle der Abweisung der Verfassungsbeschwerde Gefahr zu laufen, dass der Europäische Gerichtshof die Rundfunkabgabe hinterher als europarechtswidrig verwirft, oder aber der Verfassungsbeschwerde gegen mögliche Bedenken einfach stattgeben zu müssen, so dass das Verfahren vor dem EuGH gegenstandslos wird.

Zur Vermeidung einer Entscheidungsdivergenz und aufgrund von Art. 267 AEUV ist daher eine Vorlage an den EuGH geboten.

Die Nichtvorlagen an den EuGH durch die letztinstanzlichen Verwaltungsgerichte verletzt ohnehin das Grundrecht auf den „gesetzlichen Richter“ nach Art.  101 Absatz 1 Satz GG.

6. Die Rede von der Rundfunkabgabe als „Demokratieabgabe“ wie paternalistische Ideologie

 Die Rede von der Rundfunkabgabe als „Demokratieabgabe“ ist paternalistische Ideologie. Als müsste dem Bürger durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erst zur Demokratiefähigkeit verholfen werden und müsste er zusätzlich zahlen, damit im Lande Demokratie herrsche!

7. Alternativen zur gegenwärtigen Rundfunkfinanzierung

Prinzipiell ist die Finanzierung über den Allgemeinen Staatshaushalt denkbar. Die angeblich hohe Bedeutung des Rundfunks für das demokratische Gemeinwesen legt diese Finanzierungsform nahe. Der Einwand, dann würde der Rundfunk vom öffentlichen Haushalt und damit vom „Staat“ abhängig, verfängt nicht, da sämtliche Öffentlichen Aufgaben, gerade auch solche mit hohem Grundrechtsgehalt wie Universitäten, Schulen oder das Gesundheitswesen, ganz selbstverständlich vom Staatshaushalt und seinen politischen Prioritäten abhängen. Niemand ist bisher auf die Idee gekommen, etwa die Hochschulen vom öffentlichen Haushalt exemt zu stellen. Warum ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Privileg genießen soll, ist unerfindlich.

Mit anteiliger Staatsfinanzierung einer Grundversorgung und einem technisch durch einen Zugangscode organisierten Gebührensystem lässt sich auch eine Mischfinanzierung verwirklichen.  Dann ließe sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk ohne Grundrechtseingriffe, die man dem früheren Gebührensystem angelastet hatte und die zur Reform geführt haben und die jetzt nach der Reform noch stärker geworden sind, verfassungskonform halten.