Voraussetzungen für den Einsatz von Zeitarbeitern aus Drittstaaten, EuGH-Urteil vom 11.09.2014, C-91/13

Im vorliegenden Fall ging es um den Einsatz von türkischen Zeitarbeitern in den Niederlanden. Die Zeitarbeiter wurden von einer deutschen Firma entsandt. Für die Zeitarbeiter lagen deutsche Arbeitserlaubnisse vor.

Sachverhalt

Der Firma Essent Energie wurde eine Geldbuße auferlegt, weil sie Arbeiten von drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern durchführen ließ. Für diese war ihr keine Beschäftigungserlaubnis erteilt worden. Konkret ging es darum, dass die Firma Essent die Firma BIS mit dem Aufbau von Gerüsten beauftragt hatte. Bei einer Kontrolle wurde festgestellt, dass 33 Drittstaatsangehörige von der BIS eingesetzt wurden. Die BIS hatte diese Arbeitnehmer von der Ekinci Gerüstbau aus Deutschland entliehen. Eine Beschäftigungserlaubnis für die Niederlande lag nicht vor. Aus diesem Grunde wurde gegen Essent eine Geldbuße in Höhe von 264.000,00 € verhängt. Dies wurde damit begründet, dass Ekinci nur Arbeitskräfte entsandt hatte. Somit war Essent Auftraggeber und Arbeitgeber der ausländischen Arbeitnehmer. Für diese hätte er über eine Beschäftigungserlaubnis verfügen müssen, die jedoch nicht vorlag.

Der niederländischer Raad Van State ersetzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage vor:

Unter diesen Umständen hat der Raad van State beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
 

  1. Kann sich in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ein Auftraggeber, der nach Art. 2 Abs. 1 Wav 1994 als Arbeitgeber der betreffenden türkischen Arbeitnehmer anzusehen ist, gegenüber dem niederländischen Staat auf die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 oder die Stillhalteklausel des Art. 41 des Zusatzprotokolls berufen?

 

  1. a) Ist die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 oder die Stillhalteklausel des Art. 41 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen, dass sie der Einführung eines an Auftraggeber gerichteten Verbots im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Wav 1994 entgegensteht, Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit eines Drittlands, in diesem Fall der Republik Türkei, ohne Beschäftigungserlaubnis in den Niederlanden Arbeiten verrichten zu lassen, wenn diese Arbeitnehmer bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt sind und über ein niederländisches entleihendes Unternehmen für den Auftraggeber in den Niederlanden arbeiten?

 

  1. b) Ist es in diesem Zusammenhang von Belang, dass es einem Arbeitgeber bereits vor dem Inkrafttreten sowohl der Stillhalteklausel des Art. 41 des Zusatzprotokolls als auch der Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 untersagt war, einen Ausländer ohne Beschäftigungserlaubnis aufgrund eines Arbeitsvertrags zu beschäftigen, und dass dieses Verbot ebenfalls vor dem Inkrafttreten der Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 auf entleihende Unternehmen, an die Ausländer entsandt werden, ausgedehnt worden ist?

 

Die Entscheidung des EuGH

Zunächst befasste sich der EuGH mit Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EU mit der Türkei sowie mit Artikel 13 des Beschlusses Nr. 1/80. Er hielt fest, dass beide Artikel unmittelbare Wirkung für türkische Staatsangehörige haben, sich diese also darauf berufen können. Weiter bekräftigte er noch einmal, dass türkische Staatsangehörige keine allgemeine Freizügigkeit wie EU-Bürger genießen. Sie haben lediglich im Gebiet des Entsendemitgliedstaates, hier Deutschland, gewisse Rechte. Da es den türkischen Zeitarbeitern im Ausgangsverfahren nicht darum ging, dauerhaft in den Niederlanden tätig zu werden, sondern nur für die Dauer des Auftrags, konnten sie sich somit nicht auf Artikel 13 berufen. Artikel 41 war ebenfalls nicht einschlägig. Artikel 41 verbietet die Einführung neuer Maßnahmen, die die Ausübung der wirtschaftlichen Freiheit strengeren Voraussetzungen als bisher unterwerfen. Hierauf können sich etwa Unternehmen berufen. Im vorliegenden Fall entsandte jedoch kein türkisches Unternehmen Zeitarbeiter, sondern ein deutsches Unternehmen.

Anwendbarkeit der Artikel 56 AEUV und 57 AEUV

Die Nichtanwendbarkeit der Artikel 13 und 41 Abs. 1 hielt den EuGH jedoch nicht davon ab, eine Verletzung des EU-Vertrages zu prüfen.

Zunächst hielt er fest, dass der Verleih von Zeitarbeitern als Dienstleistung i.S.v. Artikel 56, 57 AEUV anzusehen ist. Dass hierbei nicht EU-Bürger überlassen werden, sondern Drittstaatsangehörige ist unerheblich. Ebenfalls unerheblich ist, dass die Zeitarbeiter nicht direkt an die Essent Energie überlassen werden, sondern an die BIS. Die Zwischenschaltung der BIS kann nicht dazu führen, dass sich Essent Energie nicht mehr auf die Artikel 56, 57 AEUV berufen konnte.

Der EuGH hielt fest, dass Artikel 56 AEUV zum einen die Beseitigung jeder Diskriminierung von Dienstleistern verlangt. Zum Anderen verlangt er die Aufhebung aller Beschränkungen, sofern sie geeignet sind, Dienstleistungen, die in einem Mitgliedsstaat rechtmäßig erbracht werden, in einem anderen Mitgliedsstaat zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Entsprechend ist die Einholung einer behördlichen Erlaubnis unzulässig. Sofern der Bereich nicht durch Richtlinien harmonisiert ist, ist eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs nur gerechtfertigt, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses dafür sprechen, es sei denn, dass diese Interesse schon im Ausgangsmitgliedsstaat geschützt wird.

Die Begründung der Niederlande, den nationalen Arbeitsmarkt zu schützen, sah der EuGH als nicht durchschlagend an, da die Zeitarbeiter nach Durchführung des Auftrags wieder zurückkehrten. Es gibt zwar Kontrollmöglichkeiten, allerdings sind bei diesen die Grenzen zu beachten, sodass der freie Dienstleistungsverkehr gewahrt bleibt. Im konkreten Fall ging der EuGH davon aus, dass die Niederlande die zulässige Grenze überschritten hatten und eine Beschäftigungserlaubnis nicht gefordert werden konnte. Es reicht vielmehr aus, wenn die Niederlande dahingehend kontrollieren würden, dass die Zeitarbeiter bereits legal in Deutschland beschäftigt werden, insbesondere hinsichtlich Aufenthalt, Beschäftigungserlaubnis und sozialer Absicherung, und dort ihre Haupttätigkeit ausüben. Ebenso könnte verlangt werden, dass entsprechende Erklärungen durch das entsendende Unternehmen eingereicht werden oder dass der Einsatz den niederländischen Behörden vorher angezeigt wird, sodass diese die Einhaltung der Rechtsvorschriften kontrollieren können. Auf dieser Basis könnten dann die niederländischen Behörden bei Bedarf tätig werden.

Im Ergebnis nahm der EuGH damit an, dass die niederländische Regelung unzulässig ist.

Fazit

Als Fazit ist festzuhalten, dass zum einen deutsche Zeitarbeitsunternehmen Zeitarbeiter in anderen EU-Staaten einsetzen dürfen, auch wenn die Zeitarbeiter aus Drittstaaten kommen. Erforderlich ist lediglich, dass diese in Deutschland eine Arbeitserlaubnis hierfür haben. Es kann lediglich sein, dass es entsprechende Unterrichtungspflichten im Beschäftigungsstaat gibt. Umgekehrt bedeutet das Urteil für ausländische Verleiher, dass diese auch in Deutschland Drittstaatsangehörige einsetzen können, wenn sie im Entsendestaat über eine Arbeitserlaubnis verfügen. In der Praxis ist der deutsche Gesetzgeber auf einer Stufe mit dem EuGH, weil er gewissen Branchen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) und dem Mindestlohngesetz (MiLoG) gewisse Meldungen und Unterrichtungspflichten auferlegt.

Unternehmen, die Zeitarbeiter im Ausland einsetzen möchten, oder ausländische Unternehmen, die Zeitarbeiter in Deutschland einsetzen möchten, können sich bei näheren Frage hierzu gerne an die Kanzlei wenden.

 

 

 

 

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