Beitragspflicht zur SOKA-Bau, BAG Urteil 10 AZR 343/22

Einleitung

Das vorliegende Urteil behandelt die zulässige Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts, das die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von Beiträgen verurteilt hatte. Ein wesentlicher Aspekt der Entscheidung liegt in der Anwendung der Verjährungsregelungen, die zur Aufhebung des vorherigen Urteils führen. Das Urteil zeigt aber auch ganz klar auf, wann Verleiher für ihre Leiharbeiter Beiträge gegenüber der SOKA-Bau entrichten müssen.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Entrichtung der Beiträge zum Urlaubsverfahren der Bauwirtschaft. Der Kläger, die SOKA-Bau, ist ein Verein, der tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft berechtigt und verpflichtet ist.

Das BAG entschied über die Verjährung der Beiträge zu SOKA-Bau beim Einsatz von Leiharbeitern

Die Beklagte (Verleiher) ist eine Dienstleisterin in der Form einer GmbH, die über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt und ihre Arbeitnehmer einer Entleiherin überlässt.

Der Kläger behauptete, die Beklagte habe der Entleiherin Arbeitnehmer zur Erbringung baugewerblicher Tätigkeiten überlassen. Die Leiharbeitnehmer hätten Helfer- und Nebentätigkeiten erbracht, die im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten gestanden hätten, die von den Arbeitnehmern der Entleiherin vorgenommen worden seien. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, für diese überlassenen Arbeitnehmer Beiträge für das Urlaubsverfahren nach dem VTV zu entrichten.

Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, änderte das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers hin das arbeitsgerichtliche Urteil ab und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. 

Wer muss beweisen, welche Tätigkeiten die Leiharbeiter überwiegend erbracht haben?

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch basiert auf § 8 Abs. 3 und § 5 Satz 1 Nr. 3 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) in Verbindung mit § 15 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 des Verfahrenstarifvertrags (VTV) von 2015. Die Regelungen verpflichten den Verleiher von Leiharbeitnehmern, die in einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen zu gewähren und entsprechende Beiträge an die SOKA-Bau zu leisten. Diese Pflichten gelten unabhängig davon, ob der Betrieb des Entleihers in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt.

Die Leiharbeitnehmer der Beklagten wurden im relevanten Zeitraum überwiegend mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich des VTV 2015 fallen und Bauleistungen iSv. § 101 Abs. 2 SGB III sind. So ging es nach dem Vertrag um das „Nachisolieren von Schweißnähten“ und „Nebenarbeiten“. Das gilt auch für die versehenen Helfertätigkeiten. Der VTV 2015 wurde als allgemeinverbindlich erklärt und erfasst den Bereich des Bauhaupt- und Baunebengewerbes. 

Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 AEntG aF ist für die Beurteilung weder auf den Betrieb des Verleihers noch auf den des Entleihers – was § 8 Abs. 3 Halbs. 2 AEntG aF ausdrücklich klarstellt – abzustellen. Maßgeblich sind vielmehr nach der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung ausschließlich die Tätigkeiten der verliehenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese müssen im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegend entsprechende bauliche Tätigkeiten ausgeübt haben. Die Beweislast trägt zwar die SOKA-Bau. Trägt sie jedoch Anhaltspunkte vor, muss die Verleiherin substantiiert erwidern. Dies tat sie nicht. Somit qualifizieren sich die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tätigkeiten der Leiharbeitnehmer unter diesen Tarifvertrag. 

Wann verjährt der Anspruch der SOKA-Bau?

Die Verjährung des Anspruchs stellt den Wendepunkt des Falles dar. Trotz der grundsätzlichen Begründetheit des Anspruchs steht dem die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Gemäß dem VTV 2018 beträgt die Verjährungsfrist nunmehr drei Jahre. Die relevanten Ansprüche, die im Jahr 2017 fällig wurden, sind somit bis Ende 2020 verjährt. Für die Verjährung trägt hingegen die Verleiherin die Beweislast. Soweit es aber um Umstände geht, die ausschließlich im Bereich der SOKA-Bau liegen, muss diese substantiiert erwidern. Dem kam sie aber nicht nach. Da der Kläger keine rechtzeitigen Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung unternahm, kann die Beklagte die Leistung erfolgreich verweigern.

Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und stellte die Entscheidung des Arbeitsgerichts wieder her, welche die Beklagte von der Zahlungspflicht befreit hatte. Die Kosten des Verfahrens wurden gemäß § 91 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) der unterlegenen Partei auferlegt, was in diesem Fall den Kläger betraf.

Fazit

Dieses Urteil legt zunächst ausführlich dar, dass es für die Frage der Pflicht zur Abführung von SOKA-Bau-Beiträgen für eingesetzte Leiharbeiter darauf ankommt, mit welchen Tätigkeiten diese Leiharbeiter befasst wurden. Wurden sie arbeitszeitig überwiegend mit Tätigkeiten befasst, die unter einen Tarifvertrag für die SOKA-Bau fallen, müssen sie auch die entsprechenden Beiträge bezahlen. Dies ist unabhängig davon, ob der Entleiher seinerseits unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt. Das BAG hat auch etwas zur Beweislast beider Seiten vorgetragen. Die Beweislast dafür, dass die Tätigkeiten unter einen Tarifvertrag fallen, trägt zwar grundsätzlich die SOKA-Bau. Allerdings muss die Verleiherin, wenn die SOKA-Bau entsprechend vorgetragen hat, substantiiert bestreiten. Sie muss also Tatsachen vortragen, die die Darlegung der SOKA-Bau zu Fall bringen. Hierbei muss sie ggf. Informationen über ihren Arbeitnehmer oder den Entleiher einholen. Umgekehrt trägt die Verleiherin für die Frage der Verjährung die Beweislast. Liegen hingegen Ansatzpunkte vor, dass die SOKA-Bau es schuldhaft unterlassen hat, die Verjährung zu unterbrechen, muss diese substantiiert bestreiten.

Betroffene Unternehmen müssen jedenfalls genau prüfen, was ihre Leiharbeiter beim Entleiher machen. Handelt es sich hierbei um bauliche Tätigkeiten oder um Tätigkeiten, die damit im Zusammenhang stehen, müssen diese der SOKA-Bau gemeldet werden. Ansonsten droht ein Bußgeld. Zudem müssten entsprechende Rückstellungen gebildet werden.

Tseja Tsankova-Herrtwich

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