Zahlung einer Karenzentschädigung aufgrund des Wettbewerbs- und Tätigkeitsverbots, LArbG Schleswig-Holstein – 5 Sa 38/17
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Karenzentschädigung aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Das Unternehmen der Beklagten beschäftigt sich mit der Finanzierung von Prozessen von Berufssportlern gegen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wegen erlittener Sportverletzungen.
Der Kläger war in der Vergangenheit bei einer Berufsgenossenschaft und später als freier Rentenberater tätig. Er ist Mitbegründer der Beklagten und war zunächst auch bis Ende 2010 deren Mitgesellschafter. Als selbstständiger Rentenberater war und ist er insbesondere mit der Durchsetzung von Ansprüchen von Sportlern wegen einer Sportverletzung gegen die Träger der Sozialversicherung befasst. In diesem Zusammenhang vertrat und vertritt er namhafte Profiboxer, Berufsfußballer und Berufshandballer sowie weitere Sportler.
Tätigkeits- und Wettbewerbsverbot
Ab dem 01.06.2009 war der Kläger bei der Beklagten als angestellter Rentenberater beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah dazu Regelungen über seine Nebentätigkeit als selbstständiger Rentenberater vor. Zusätzlich vereinbarten die Parteien eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, laut der im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet, ausdrücklich ein Tätigkeits- und Wettbewerbsverbot gelte. Danach war es dem Mitarbeiter während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagt, unmittelbar oder mittelbar – z. B. über eine Drittfirma – für direkte und indirekte Konkurrenten des Arbeitgebers oder Berufsgenossenschaften beruflich oder anderweitig, als Angestellter, freier Berater oder im Rahmen einer Beteiligung an einem Unternehmen tätig zu sein. Ebenso war es dem Mitarbeiter verboten, als Rentenberater oder im Bereich der Berufshilfe für andere Dritte wie z. B. Sportvereine oder Sportler tätig zu sein.
Karenzentschädigung
Für die Dauer dieses Wettbewerbsverbotes sollte der Arbeitgeber an den Mitarbeiter zum Ausgleich für das Wettbewerbs- und Tätigkeitsverbot eine monatliche Karenzentschädigung, die 100 % der zuletzt bezogenen monatlichen vertragsmäßigen Leistung entsprach, zahlen.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2012 zahlte die Beklagte an den Kläger keine Karenzentschädigung, weil sie Auffassung war, der Kläger habe gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen.
Nachdem das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten beendet wurde, schloss die Ehefrau des Klägers mit einer Fa. P. & W., deren Geschäftsführer dem Kläger seit Jahren bekannt waren, einen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab 1.01.2013. Laut diesem Vertrag wurde die Ehefrau des Klägers als kaufmännische Angestellte mit Heimarbeitsplatz eingestellt. Diese Tätigkeit hat die Ehefrau des Klägers jedoch nicht erbracht. Des Weiteren schlossen die Herren P. und W. einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Fa. a. GmbH ab, in der die Ehefrau des Klägers ein Drittel der Geschäftsanteile hatte. Die Fa. a GmbH hat den gleichen Sitz wie die Fa P. & W. und verfolgt neben der Beratung von Vereinen denselben Geschäftszweck – Prozessfinanzierung für Berufssportler – wie die Beklagte.
Am 16.01.2013 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Neumünster die Klage und machte u. a. eine Karenzentschädigung für das Jahr 2013 in Höhe von monatlich 6.503,50 € geltend. Mit dem Urteil vom 16.05.2013 wies das Arbeitsgericht die dahingehende Zahlungsklage ab (2 Ca 74 d/13). Die hiergegen von dem Kläger eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 15.04.2014 als zurzeit nicht fällig zurück (Az. 1 Sa 208/13).
Kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot
Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass der Anspruch des Klägers auf die Karenzentschädigung entstanden und auch nicht gemäß § 320 Abs. 1 BGB erloschen sei, weil der Kläger seinerseits gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Nach § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB sei ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals (des Arbeitsgebers) diene.
Ein berechtigtes Geschäftsinteresse des Arbeitgebers
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein berechtigtes Geschäftsinteresse des Arbeitgebers anzuerkennen, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch in den Kunden- oder Lieferantenkreis verhindern soll (vgl. BAG, 01.08.1995 – 9 AZR 884/93). Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt nicht als berechtigtes geschäftliches Interesse (BAG, 01.08.1995 – 9 AZR 884/93).
Daher müsse ein Zusammenhang zwischen Inhalt und Umfang des Verbots und der bisherigen Funktion oder Tätigkeit des Arbeitnehmers bestehen. Hieran gemessen könne dem Kläger die Vertretung von Sportlern in Form einer Tätigkeit als freier Rentenberater nicht untersagt werden. Denn eine Rechtsberatung, insbesondere die rechtliche Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten führe die Beklagte nicht durch und dürfe dies auch nicht, da sie insoweit keine erforderliche Erlaubnis dafür besitze. Die Vertretung von Sportlern gegenüber Behörden und Gerichten sei dem Kläger erlaubt.
Danach sei laut dem LAG ein Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung entstanden und auch nicht erloschen. Der Höhe nach stehe dem Kläger eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 5.475,00 € zu, mithin insgesamt 65.700,00 € für das gesamte Jahr 2013. Dieser Anspruch des Klägers auf Zahlung der Karenzentschädigung sei jedoch noch nicht fällig. Der Beklagten stehe gemäß § 74 c Abs. 2 HGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu, da der Kläger noch keine Auskunft über seinen anderweitigen Verdienst erteilt habe.
Wenn der Arbeitnehmer die Auskunft über seine Einkünfte nicht oder nicht ausreichend erteilt hat, kann der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung solange verweigern, bis er die Auskunft erhält. Im vorliegenden Fall erteilte der Kläger über seine erzielten Einkünfte durch Vorlage seiner Steuererklärung und des entsprechenden Steuerbescheides Auskunft.
Die erneute Klage beim Arbeitsgericht
Danach erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Neumünster die Zahlungsklage und machte gegenüber der Beklagten Karenzentschädigung für 2013 in Höhe von 65.700,00 Euro geltend.
Das Arbeitsgericht folgte der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten grundsätzlich ein Anspruch auf Karenzentschädigung in Höhe von 65.700,00 € zustehe. Der Anspruch sei nicht durch die vertragliche Ausschlussklausel ausgeschlossen. Die Höhe der zu zahlenden Karenzentschädigung sei abhängig von den anzurechnenden Einkünften des Klägers.
Einkünfte der Ehefrau des Klägers
Allerdingts musste sich der Kläger neben den eigenen Einkünften (3.465,00 €) auch die Einkünfte seiner Ehefrau aus deren Tätigkeit bei der Fa. P. & W. anrechnen lassen. Weil die Ehefrau des Klägers unstreitig keine Tätigkeiten für die Fa. P. & W. erbracht hatte und unstreitig der Kläger vertragliche Beziehungen zu den Herren P. und W. auch als Vertreter der Fa. P. & W. unterhalten hatte, wurde geschlussfolgert, dass die Zahlungen der Fa. P. & W. als Gegenwert für Arbeitsleistungen des Klägers erbracht worden seien.
Infolge der Einkünfte der Ehefrau des Klägers, die als Einkünfte des Klägers zu betrachten waren, ergab sich ein zusätzliches auf die Karenzentschädigung anzurechnendes Einkommen in Höhe von insgesamt 23.100,00 €. Aus diesem Grund verblieb ein Anspruch auf Zahlung der Karentzentschädigung in Höhe von 45.705,00 Euro.
Gegen dieses Urteil haben die Parteien Berufungen eingelegt.
Während der Kläger einwendete, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht das Einkommen seiner Ehefrau auf die Karenzentschädigung angerechnet habe, trug die Beklagte vor, dass die Einstellung der Ehefrau nur zum Schein erfolge, um die Gesellschafterstellung des Klägers bei der Fa. a. GmbH zu verschleiern.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein kam zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsgericht zutreffend die Einkünfte der Ehefrau des Klägers auf die Karenzentschädigung angerechnet hat.
Der Arbeitsvertrag zwischen der Fa P & W und der Ehefrau des Klägers wurde nur zum Schein abgeschlossen, um mögliche Wettbewerbsverstöße des Klägers infolge direkter Zahlungen der Fa. a., einer Konkurrentin der Beklagten, an den Kläger zu verschleiern. Ferner wurde die Ehefrau in die Verträge mit der Fa. a. eingebunden, weil der Kläger gegenüber der Beklagten ein Jahr nicht in Wettbewerb treten durfte und es sich bei der Fa. a. um eine Wettbewerberin handelte.
Dementsprechend waren neben dem Einkommen des Klägers in Höhe von 3.465,00 Euro auch die Einnahmen seiner Ehefrau in Höhe von 23.100,00 Euro auf die Karenzentschädigung in Höhe von 65.700,00 Euro anzurechnen.