Reges Interesse am Seminar „Werkverträge Ost II“
Tagung von Vertretern namhafter Firmen und fachlich hochqualifizierter Referenten
Ein nahezu gleich großer Kreis an Teilnehmern wie beim letzten Seminar hatte sich neben den elf Referenten, die auf Einladung der AWZ Vorträge hielten, zu dem Seminar “Werkverträge Ost II” wiederum in Sheraton-Hotel in Frankfurt eingefunden. Die Diskussion nach den Vorträgen der Referenten zeigte, dass es in diesem Bereich noch eine ganze Reihe offener Fragen gibt und die von den Teilnehmern vom Staat her gewünschte Transparenz in der Abwicklung der Werkverträge durch die Werkunternehmen aus den neuen Mitgliedstaaten noch nicht vorhanden ist.
Allgemein wurde es äußerst begrüßt, dass Herr Dr. Brand, Präsident des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, an dieser Tagung teilnahm und seinerseits mit seiner fundierten Kenntnis der sozialgerichtlichen Rechtsprechung den Teilnehmern wichtige Hinweise mit auf den Weg gab. Ebenfalls wurde es als sehr positiv empfunden, dass Herr Oberstaatsanwalt Weimann von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität, ein Referat hielt, in dem er sehr klar und unvoreingenommen zu den anstehenden Problemen im Bereich des Strafrechts Stellung nahm. Die anwesenden Rechtsanwälte und Betroffenen brachten zum Ausdruck, dass sie sich ebenfalls für ihre Verfahren Staatsanwälte und Zollbeamte gewünscht hätten, die in einer so ausgeglichenen Weise die anstehenden Rechtsfragen behandeln.
Die Einstellung der ungarischen Seite zur Entsendung von Werkarbeitnehmern
Schon das Eingangsreferat von Herrn Leister, der Kuratoriumvorsitzende der deutsch-ungarischen Gesellschaft, brachte klar zum Ausdruck, wie unbefriedigend das Vorgehen des Zolls nicht nur von den unmittelbar betroffenen ungarischen Unternehmen empfunden wurde, sondern auch von der betroffenen ungarischen Verwaltung, die sich bedauerlicherweise, anders als die polnische Verwaltung, dem eingeleiteten deutschen Aktionen, nämlich der Aktion “Panonia” und der Aktion “Bunda” nicht nachdrücklich genug gegenüber gestellt hat. Er sprach in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der einschlägigen Gewerkschaft an und zitiert in diesem Zusammenhang einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen, in dem das Vorgehen eines Vertreters der NGG geschildert wurde.
Im Anschluss hieran ergriff Herr Gérnyi, stellvertretender Hauptabteilungsleiter des Ungarischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums, das Wort und berichtete über die wirtschaftlichen Folgen der Verfahren gegen ungarische Werkunternehmen. Er teilte mit, dass vor dem Einsatz der SOKO “Bunda” und der SOKO “Panonia” 51 ungarische Firmen als Werkunternehmen in Deutschland tätig waren. Nach der Durchführung der Aktionen “Panonia” und “Bunda” waren nur noch 17 ungarische Werkunternehmen in Deutschland tätig. Somit, stellte er bedauernd fest, hatten die Aktionen ihr Ziel erreicht. Herr Gérnyi berichtete, dass man zunächst gegen die SOKO “Panonia” nicht vorgegangen ist, um die deutsch-ungarischen Beziehungen nicht zu stören. Als dann jedoch die SOKO “Bunda” geschaffen wurde, hatte sich der ungarische Staat dem Vorgehen der deutschen Ermittlungsbehörden widersetzt. Herr Gérnyi stellte fest, dass die Werkunternehmen kriminalisiert wurden. So hatte er von drei verschiedenen Firmen erfahren, dass bei Razzien Ermittlungsbeamte schwer bewaffnet erschienen und die ausländischen Arbeitnehmer hiervon eingeschüchtert waren. Um das deutsch-ungarische Verhältnis wieder zu verbessern, mahnte Herr Gérnyi eine sachlichere Herangehensweise an und erachtete hierfür einen partnerschaftlichen Dialog für notwendig.
Die Entsendung aus strafrechtlicher Sicht
Auf das Referat von Herrn Gérnyi folgte der Vortrag von Herrn Oberstaatsanwalt Weimann von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Dieser schilderte u.a. die Auswirkung der Rechtsprechung zu den nach Beitritt der Länder Ungarn und Polen jeweils vorgelegten E-101-Bescheinigungen und für die frühere Zeit der D/H-101-Bescheinigungen bzw. PL-101-Bescheinigungen aus strafrechtlicher Sicht. Er erläuterte in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des EuGH und des BGH zu den Entsendebescheinigungen und sprach die vorliegenden Entscheidungen betreffend die vorhergehende Zeit zu den D/H-101-Bescheinigungen und PL-101-Bescheinigungen an. In diesem Zusammenhang machte er deutlich, dass es wichtig ist, dass der BGH, wenn er sich am 24.10.2007 mit der Auswirkung der D/H-101-Bescheinigungen und PL-101-Bescheinigungen beschäftigt, sehr deutlich machen sollte, dass das Fehlen der Entsendebescheinigungen eine objektive Strafbarkeitsbedingung darstellt. Er folgte den Ausführungen eines Seminarteilnehmers, dass man zumindest im vorliegenden Zusammenhang von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum seitens der ausländischen Werkunternehmen ausgehen sollte, die die ganzen Auswirkungen der angeblichen Verstöße gegen Arbeitnehmerüberlassungsvorschriften und § 266a und § 263 StGB gar nicht richtig einordnen konnten. Die verschiedene Behandlung der angesprochenen Vorschriften in vorliegenden Strafurteilen habe gezeigt, wie schwierig die Situation zu beurteilen sei. Allerdings vertrat er die Haltung, dass es klarer sei, wenn man schon den objektiven Tatbestand gar nicht annehme, um dann nicht eine problematische Abwägung im Rahmen des Verbotsirrtums vornehmen zu müssen.
Herr Prof. Dr. Tuengerthal, der sich in seinem Referat mit der Entwicklung der strafrechtlichen Rechtsprechung befasste, brachte gegenüber Herrn Oberstaatsanwalt Weimann zum Ausdruck, dass angesichts der vielen später im Verfahren deutlich gewordenen Rechtsfragen die verantwortlichen öffentlichen Stellen nicht sehr verantwortungsbewusst gehandelt haben. Diese hatten zunächst die Aktionen “Panonia” und “Bunda” in Gang gesetzt und hierzu den Zoll nachdrücklich auf bisher unbescholtene Werkunternehmer angesetzt. Dabei konnte der Zoll weder die tatsächliche Entwicklung in der Wirtschaft noch die rechtliche Einschätzung der angenommenen Tatbestände richtig vornehmen. Alle Rechtsfragen, die später in den Verfahren diskutiert wurden und die in den teils freisprechenden Strafurteilen behandelt wurden, hätten vor Aufnahme der Aktionen bereits erkannt werden müssen. Man hätte daraufhin eine entsprechende Schulung und Information der Zollbeamten vornehmen müssen. Dies sei jedoch nicht erfolgt und es sei außerordentlich bedrückend, dass der ohne große Kenntnisse der Zusammenhänge tätig gewordene Zoll, dessen Vorgehen teilweise als rechtlich problematisch in der Literatur gesehen wird, sich das ganze Verfahren vereinfacht habe und stereotyp die einzelnen Fälle strafrechtlich unter den Schlagworten Arbeitnehmerüberlassung, Einschleusen, Veruntreuung von Sozialabgaben und Betrug bewertete. Dies sei umso unerträglicher, als diese massiven Vorwürfe teilweise über drei Jahre im Raum standen, ohne dass es zu einer abschließenden Klärung mit Freisprüchen für die betroffenen Werkunternehmer kam. Prof. Dr. Tuengerthal wies — wie schon Herr Staatsanwalt Weimann — auf die Bedeutung der Entscheidung des BGH in Strafsachen am 24.10.2007 hin, bei der es dann darum geht, ob das Vorliegen einer D/H-101-Bescheinigung oder einer PL-101-Bescheinigung den objektiven Tatbestand einer Veruntreuung von Sozialabgaben oder Betrug beseitigt.
Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Entsendefällen
Bei den bemerkenswerten Ausführungen von Herrn Dr. Brand, dem Präsidenten des nordrhein-westfälischen Landessozialgerichts, wurde deutlich gemacht, dass er seinerseits auch nicht mehr an der Auffassung festhält, dass die einzelnen Werkarbeitnehmer, die in Deutschland eingesetzt worden sind, nach Abschluss ihrer Tätigkeit in Deutschland auch wieder bei ihrem Unternehmen in Ungarn oder Polen eingesetzt bleiben müssen. Er brachte allerdings unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere zu Kindergeldfragen zum Ausdruck, dass er nicht abschließend darstellen könne, welche Entscheidung das Bundessozialgericht in dieser Angelegenheit letztlich einnehmen werde.
Dem Referat folgten die Ausführungen von Herrn Penner, Rechtsanwalt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialrecht an der Universität Bochum. Dieser führte ganz klar aus, dass in der Zeit, in der im deutsch-ungarischen Verhältnis noch nicht das Sozialabkommen zwischen beiden Ländern galt, nämlich vor dem 1.5.2000, davon ausgegangen werden müsse, dass für die ungarische Werkunternehmer ungarisches Sozialversicherungsrecht gilt, also die Sozialversicherungsbeiträge in Ungarn zu entrichten sind. Er verwies auf die im Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.1999 geforderte völkerrechtsfreundliche Auslegung der deutschen Sozialrechtsvorschriften und kam auf diese Art und Weise zu einer analogen Anwendung von § 6 SGB IV auf die Einstrahlungsvorschrift des § 5 SGB IV, mit dem Ergebnis, dass grundsätzlich keine Sozialversicherungspflicht für die ungarischen Werkvertragsarbeitnehmer in Deutschland bestand. Dies sei im Übrigen parallel nach Inkrafttreten des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens ab 1.5.2000. Aus seiner Sicht kann bei einem Vorliegen von D/H-101-Bescheinigungen bzw. PL-101-Bescheinigungen es nicht mehr zu einer Heranziehung der ungarischen oder polnischen Arbeitnehmer zur deutschen Sozialversicherung kommen. Das Gleiche gilt natürlich für die bereits anerkannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Strafsachen beim Vorliegen einer E-101-Bescheinigung.
Die Vorgehensweise des BMAS und der Bundesagentur für Arbeit in Entsendefällen
Herr Dr. Brinkmann als Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erläuterte in seinem Vortrag in gewisser Weise die Abgrenzung zwischen Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit. Er führte aus, dass sein Ministerium die Auffassung des EuGH wie auch des Bundesgerichtshofs für Strafsachen hinsichtlich der Bindungswirkung der E-101-Bescheinigungen akzeptiert. Dies werde auch so gesehen, wenn der Bundesgerichtshof in Strafsachen am 24.10. 2007 seine Rechtsprechung auf die D/H-101-Bescheinigungen und PL-101-Bescheinigungen beziehen werde.
Herr Prof. Dr. Tuengerthal äußerte gegenüber dem Ministerium den Wunsch, dann, wenn auch die D/H-101-Bescheinigungen und PL-101-Bescheinigungen akzeptiert werden, auch nach außen hin mitzuteilen, dass sich das Ministerium seinerseits dieser Auffassung anschließt, zumal das Ministerium noch die Aktionen “Panonia” und “Bunda” maßgeblich mit ins Leben gerufen hatte. Eine solche Bekanntmachung seitens des Ministeriums sei für alle Fälle, die gegenwärtig noch anhängig sind, sowohl in strafrechtlicher Hinsicht als auch bei sozialrechtlichen Verfahren zwischen den Trägern der Sozialversicherung und den ausländischen Unternehmen von allergrößter Bedeutung.
Dem entgegnete aus der Sicht der Tagungsteilnehmer bedauerlicherweise Herr Dr. Brinkmann mit dem Argument, es sei letztlich Aufgabe der Rechtsvertreter der betroffenen Unternehmer, nämlich der Anwälte ihrerseits die entsprechenden Ergebnisse der Rechtsprechung des BGH kundzutun.
Herr Schmitz, Zentrale Auslands- und Fachvermittlung Teamleiter für den Bereich Werkvertragsverfahren in Frankfurt, erläuterte den Teilnehmern nochmals insbesondere für die erst kürzlich in die EU eingetretenen Länder Rumänien und Burgarien die Art und Weise, wie die Bundesagentur für Arbeit in diesen Fällen vorgeht.
Auf Anfrage musste er bestätigen, dass die Bundesagentur für Arbeit einerseits in ihren früheren Merkblättern 16 und den dabei verwandten Formularen von den ausländischen Unternehmen gefordert hat, die Sozialversicherung im Heimatland anzugeben. Er äußerte zwar auch, dass in Zustimmungsbescheiden jeweils ebenfalls durch sein Amt darauf hingewiesen wurde, dass die Sozialversicherungspflicht im Heimatland besteht. Hieraus wollte er aber keine bindende Erklärung seitens seines Hauses herleiten.
Der Einsatz osteuropäischer Werkarbeitnehmer aus anwaltlicher Sicht
Herr Rechtsanwalt Stephani von der Anwaltskanzlei Prof. Dr. Tuengerthal und Dr. Liebenau erläuterte den Teilnehmern die große Bedeutung des Vorlageverfahrens hinsichtlich der Monopolstellung der Fleischerei Berufsgenossenschaft. Alle Teilnehmer wünschten sich, dass die angesprochene Monopolstellung der Fleischerei Berufsgenossenschaft auf diese Art und Weise in Wegfall kommt. Empört zeigten sich Teilnehmer darüber, dass die Fleischerei BG einerseits wie keine andere Berufsgenossenschaft die Auffassung vertritt, die einzelnen ausländischen Werkunternehmen müssen eine nennenswerte Tätigkeit im Heimatland auch vor dem 1.5.2004, also vor ihrem Beitritt zur EU, haben und die Arbeitnehmer müssen später wieder in Ungarn bei ihren Arbeitgebern tätig sein und dass sie auf diese Art und Weise ohne jegliche Leistungen zu erbringen, den ausländischen Unternehmen Beiträge für ihre Versicherung in Rechnung stellen möchte, gleichzeitig ihnen gegenüber anregt, dafür einzutreten, dass die Fleischerei BG bestehen bleibt und nicht mit einer anderen Berufsgenossenschaft zusammengelegt wird.
Das letzte Referat wurde von Herrn Rechtsanwalt Goldmann gehalten. Dieser brachte zum Ausdruck, dass die Vorwürfe, die im Zusammenhang mit den Verfahren gegen die ausländischen Werkunternehmen aber auch gegen die Geschäftsführer deutscher Unternehmen u.a. der Wirtschaft durchgeführt werden, jeglicher rechtlicher Grundlage entbehren. Er rief nachdrücklich dazu auf, sich dem Vorgehen gegenüber gemeinschaftlich entgegenzustellen. Im Hinblick auf das sogenannte “Bündnis für Arbeit” brachte er zum Ausdruck, dass sicherlich niemand im Saal daran interessiert sei, Schwarzarbeit zu unterstützen. Im Rahmen dieses Bündnisses müsse es aber darum gehen, das in der Wirtschaft in den letzten 20 Jahren gewachsenen Outsourcing zu akzeptieren. Es könne nicht angehen, insoweit ohne Kenntnis der Zusammenhänge einfach von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.
Das weitere Eintreten für Werkunternehmen
Abschließend wurde besprochen, in dem von Herrn Rechtsanwalt Goldmann angemerkten “Bündnis für Arbeit” darauf zu drängen, die Verhältnisse in der Wirtschaft im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen und die von Prof. Dr. Tuengerthal hierzu angesprochene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, aber auch des Bundesarbeitsgerichts zur Kenntnis zu nehmen und nicht, wie es der Fall bisher gewesen ist, ohne intensive Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.
Die Erkenntnisse der meisten Referenten konnten die Seminarteilnehmer in einer umfangreichen Tagungsmappe mit nach Hause nehmen. Nach Schluss des Seminars war eine ganze Reihe von Teilnehmern der Ansicht, dass sie in dieser klaren Art und Weise sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch in rechtlicher Hinsicht die Dinge bisher nicht dargelegt bekommen hatten.