Wechsel im Betrieb – und plötzlich sozialversicherungspflichtig? Urteil des LSG L 7 BA 114/23
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts klärt die Frage, ob eine frühere Statusfeststellung, die eine selbstständige Tätigkeit bescheinigt, nach einem Betriebsübergang weiterhin bindend ist. Es hat erhebliche Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von mitarbeitenden Familienangehörigen in Betrieben, insbesondere bei Betriebsübernahmen.
Sachverhalt: Inwieweit behalten frühere sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungen ihre Bindungswirkung bei einem Wechsel der Unternehmensform oder des Arbeitgebers?

Der Kläger war gemeinsam mit seinem Vater Gesellschafter einer GbR, die eine Gastwirtschaft, Metzgerei und ein Hotel betrieb. Die Ehefrau des Klägers (Beigeladene) arbeitete im Betrieb mit. Im Jahr 2011 stellte die BKK24 fest, dass ihre Tätigkeit selbstständig sei und somit keine Sozialversicherungspflicht bestehe. Nach dem Ausscheiden des Vaters übernahm der Kläger den Betrieb als Einzelunternehmer. Die Beigeladene arbeitete weiterhin im Betrieb mit. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2017 bis 2020 forderte die Deutsche Rentenversicherung Beiträge in Höhe von 49.811,45 Euro nach, da sie die Tätigkeit der Beigeladenen nun als abhängige Beschäftigung einstufte.
Entscheidung des LSG
Das Landessozialgericht entschied, dass die Beigeladene im fraglichen Zeitraum eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausübte. Die Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen könnten, wie z. B. das Fehlen von Weisungen, traten gegenüber den Merkmalen einer abhängigen Beschäftigung zurück. Die Beigeladene war in die Arbeitsorganisation eingegliedert, übte arbeitnehmertypische Tätigkeiten aus, erhielt ein ortsübliches Entgelt, für das Lohnsteuer gezahlt wurde, und hatte keine unternehmerische Rechtsmacht im Betrieb.
Der Bescheid der BKK24 aus dem Jahr 2011 hatte keine Bindungswirkung für die Beklagte, da er sich nur auf das damalige Vertragsverhältnis mit der GbR bezog. Mit dem Ausscheiden des Vaters endete die GbR, und der Kläger führte den Betrieb als Einzelunternehmer weiter. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB lag nicht vor, da diese Vorschrift nur auf bestehende Arbeitsverhältnisse Anwendung findet und nicht auf freie Dienstverhältnisse oder selbstständige Tätigkeiten.
Bedeutung des Urteils
Das Urteil verdeutlicht, dass frühere Statusfeststellungen zur Sozialversicherungspflicht nicht automatisch auf neue Arbeitgeber übergehen. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers stets eine neue sozialversicherungsrechtliche Beurteilung erforderlich. Dies gilt insbesondere, wenn die Tätigkeit von Familienangehörigen betroffen ist. Arbeitgeber können sich nicht auf frühere Bescheide berufen, wenn sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse geändert haben.
Fazit
Arbeitgeber sollten bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern sorgfältig prüfen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Besonders bei Änderungen in der Unternehmensstruktur, wie z. B. einem Betriebsübergang, ist eine erneute sozialversicherungsrechtliche Beurteilung notwendig. Frühere Statusfeststellungen behalten nicht automatisch ihre Gültigkeit. Es wird empfohlen, in Zweifelsfällen eine Statusfeststellung bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen, um rechtliche Klarheit zu erhalten und Nachforderungen zu vermeiden.

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