Versagung der Verlängerung einer AÜG-Erlaubnis aufgrund der Unzuverlässigkeit des Verleihers, LSG Mecklenburg-Vorpommern Beschluss vom 25.05.2020, L 2 AL 37/19 B ER
Sachverhalt: Kann der Antragsteller durch seine beabsichtigte verlässige Zukunftsprognose die Versagung der Verlängerung einer AÜG-Erlaubnis beeinflussen?
Im vorliegenden Fall wendet sich die Antragstellerin gegen die Versagung der Verlängerung ihrer gültigen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie beschäftigt in diesem Bereich durchschnittlich etwa 186 Arbeitnehmer. Dabei handelt es sich ausschließlich um Studenten, die auf geringfügiger Basis tätig werden. Der Einsatz erfolgt insbesondere in den Bereichen Housekeeping, Gepäckverladung und Gepäckverbringung, Bürohilfstätigkeiten, Aushilfsarbeiten in der Gastronomie und Eventbetreuung.
Mit den Stundenden wurden jeweils formularmäßige befristete Rahmenvereinbarungen geschlossen, in denen die Antragstellerin sich verpflichtete, den Mitarbeiter in eine Liste der Interessenten für Arbeitseinsätze im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung aufzunehmen. Die Rahmenvereinbarung endete vor dem vereinbarten Ablaufdatum, sobald die Grenze von 70 Arbeitstagen erreicht bzw. wenn an mindestens fünf Tagen pro Woche gearbeitet wurde. Die Rahmenvereinbarung sah vor, dass wunschgemäß ein befristetes Arbeitsverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG zu Stande kommt, soweit tatsächlich Arbeitseinsätze geleistet werden.
Im Jahr 2016 beantragte die Antragstellerin das erste Mal bei der Antraggegnerin (Bundesagentur für Arbeit) eine AÜG-Erlaubnis, die jedes Jahr bis 2019 nicht ohne Probleme verlängert wurde. Die erneute Verlängerung der AÜG-Erlaubnis wurde jedoch von der Bundesagentur für Arbeit abgelehnt, weil die Stichprobenprüfung Mängel ergab, die auf Unzuverlässigkeit des Antragstellers hinweisen würden.
Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch und stellte beim Sozialgericht Rostock einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
Entscheidung des Sozialgerichts: Ablehnung des Antrags
Das Sozialgericht legte den Antrag ab und stellte fest, dass die Verlängerung der AÜG-Erlaubnis zu Recht abgelehnt wurde. Als Begründung führte das Sozialgericht unter anderem aus, dass die Bundesagentur zu Recht davon ausgehe, dass die von der Antragstellerin praktizierte Vertragsgestaltung gegen die Vorschrift des § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG und das Garantielohnprinzip verstoße. Ferner verlagere die Antragstellerin durch ihre rechtswidrige Vertragspraxis in unzulässiger Weise das ihr als Arbeitgeber obliegende Beschäftigungsrisiko allein auf die Leiharbeitnehmer.
Beabsichtigung der Zuverlässigkeit der Antragstellerin in der Zukunft
Dagegen erhob die Antragstellerin Beschwerde beim LSG Mecklenburg-Vorpommern. Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, dass ihr Geschäftsmodel keinesfalls auf dem befristeten Einsatz studentischer Mitarbeiter beruhe, sondern auf den flexiblen Einsatzwunsch der Mitarbeiter ausgerichtet sei. Gleichwohl versprach sie, zukünftig allen Mitarbeitern einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten, wodurch sie also vollumfänglich von ihrer Befristungspraxis abweichen würde.
Entscheidung des LSG: Die Antragstellerin besaß keine Zuverlässigkeit, daher war die Verlängerung der AÜG-Erlaubnis zu recht versagt
Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass die Bundesagentur die Verlängerung der AÜG-Erlaubnis zu Recht abgelehnt hatte.
Nach § 3 Abs. 1 AÜG ist die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller
- die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
- nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
- dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.
Entsprechend dem Schutzzweck des AÜG kommt es im Rahmen des § 3 Abs.1 Nr.1 darauf an, ob die Eigenschaften und Merkmale des Verleihers eine Gefährdung des sozialen Schutzes des Arbeitnehmers befürchten lassen.
Unzuverlässigkeit eines Verleihers
Der Zweck der Vorschrift liegt darin, im Interesse der Sicherheit des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer unzuverlässige Verleiher aus dem Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung auszuschalten. Als unzuverlässig ist ein Antragsteller danach anzusehen, wenn in seiner Person Tatsachen vorliegen, denen zufolge zu besorgen ist, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird. Zwar wird es sich in der Regel um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich – z.B. Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub bzw. auf sonstige geldwerte Leistungen o.ä. – handeln. Die Unzuverlässigkeit kann sich aber auch aus einer Summierung von Umständen und kleinen Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ergeben, die für sich allein keinen Versagungsgrund rechtfertigen könnten. Dabei ist eine Prognose für die Zukunft anzustellen. Maßgebend ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Antragstellers.
Des Weiteren stellte das LSG fest, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Antragstellerin der Erlass des Widerspruchsbescheides der Bundesagentur für Arbeit ist. Die im vorliegenden Fall bei Erlass des Widerspruchsbescheides vorhandenen Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass die Antragstellerin die notwendige Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Die bloße Ankündigung der Antragstellerin, ihre Praxis kurzfristig zu ändern und bei jeder Einzelbefristung ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis anzubieten, kann schon deshalb zu keiner anderen Prognoseentscheidung führen, da die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise dargelegt hat, wie die zukünftige Vertragsgestaltung im Einzelnen konkret aussehen soll. Dies erfolgte erstmals nach Erlass des Widerspruchsbescheides. Die Antragstellerin reichte neue Arbeitsmusterverträge nur 4 Tage nach Erlass des Widerspruchsbescheides und das war zu spät.
Außerdem überzeugt die Behauptung der Antragstellerin nicht, dass ihr Geschäftsmodell auf den flexiblen Einsatzwunsch der Mitarbeiterin ausgerichtet gewesen sei. Denn sie hat keine konkreten sachlichen Gründe glaubhaft gemacht, die eine Befristung der Einzelarbeitsverträge auf die Einsatztage gerechtfertigt hätten.
Der Antragstellerin steht es aber frei, bei der Antragsgegnerin einen erneuten Antrag auf Erlaubniserteilung zu stellen. Bei der dann erneut zu prüfenden Zuverlässigkeit der Antragstellerin wären die neuen Arbeitsverträge zu berücksichtigen.
Fazit: Rechtzeitige Vorlage der zukünftigen Vertragsgestaltung ist notwendig, bloße Ankündigung verändert die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nicht
Für die Erteilung bzw. Verlängerung einer AÜG-Erlaubnis spielt die Zuverlässigkeit von Verleihern eine große Rolle. Aus dem Beschluss des LSG wird deutlich, dass Verleiher ihre Unzuverlässigkeit durch Vorlage von neuen Arbeitsverträgen nicht rückwirkend ändern können, wenn die Bundesagentur einen Widerspruchsbescheid bereits erlassen hat. In diesem Fall muss einen neuen Antrag auf Erteilung einer neuen AÜG-Erlaubnis erfolgen, in dem die Zuverlässigkeit anhand neuer Unterlagen erneut geprüft werden kann.
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