Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten, BAG Urteil – 5 AZR 382/16

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten.

Der Kläger ist seit März 1984 bei der Beklagten als Krankenpfleger mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden auf Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrags beschäftigt.

Regelung über das Tragen von Dienstkleidung

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 5. Juli 1995 eine „Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Kreiskrankenhaus“ (DV). Die Dienstkleidung weist keine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung auf. Das während des Dienstes zu tragende Namensschild ist mittels eines Clips abnehmbar.

Der Kläger machte mit seiner Klage Überstundenvergütung wegen Umkleide- und dadurch veranlasster innerbetrieblicher Wegezeiten für die Zeit von Februar 2013 bis April 2014 geltend. An 100 Arbeitstagen habe er durchschnittlich 12 Minuten je Arbeitstag für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und für die Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück benötigt. Daraus ergäben sich insgesamt 20 Überstunden.

Der Kläger beantragte die Beklagte zu verurteilen, an ihn 464,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Daraufhin beantragte die Beklagte die Klageabweisung mit der Begründung, es stehe dem Kläger frei, die Dienstkleidung zu Hause an- und abzulegen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und ließ die Berufung für den Kläger zu. Diese wies das Landesarbeitsgericht zurück. Mit seiner Revision verfolgte der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Umkleidezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellte das BAG fest, dass es bei den vom Kläger benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und den Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB geht.

Besonders auffällige Dienstkleidung

Dabei handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeit bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht wird. An einer solchen Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein eigenes Interesse. Dabei ist für die Zuordnung zu einer Branche bzw. einem Berufszweig ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist.

Das BAG bezeichnete die weiße Dienstkleidung des Klägers als „auffällig“, da sie typischerweise auf eine Zugehörigkeit des Trägers zu einem Heil- oder hierzu gehörenden Hilfsberuf schließen lässt.

Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit

Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers – auch zum Aufsuchen der Umkleideräume – beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit.

Ausnahmen, bei denen Umkleidezeit nicht als Arbeitszeit anzusehen ist

Das Ankleiden einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nur dann keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Dies ist auch der Fall, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet.

Ergebnis

Aus den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts konnte das BAG nicht darüber befinden, ob, auf welcher Grundlage und in welcher Höhe Vergütungsansprüche des Klägers bestehen. Deswegen hob das BAG das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.