Selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung eines Altenpflegers, Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg – L 1 KR 358/18
Sachverhalt: Kann eine selbständige Tätigkeit eines Altenpflegers, wofür auch viele Indizien sprechen, trotzdem als abhängige Beschäftigung eingestuft werden?
Im vorliegenden Fall befasste sich das Gericht mit der Frage, ob die Tätigkeit eines Altenpflegers selbständig ist, oder ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis besteht.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Sie beschäftigt neben angestellten Pflegekräften zur Deckung von Personalengpässen auch Honorarkräfte, die tage- oder wochenweise zum Einsatz kommen. Der Altenpfleger, um den es im vorliegenden Fall geht, war bei der Klägerin aufgrund einer Dienstleistungsvereinbarung selbständig tätig. Er verfügte über eine Berufshaftpflichtversicherung, eigene Dienstkleidung und nutzte eigene Gerätschaften, wie Schreibgeräte, Handschuhe, ein Stethoskop und ein Blutdruckmessgerät.
Die Beklagte, die Deutsche Rentenversicherung, war jedoch der Meinung, dass der Altenpfleger abhängig beschäftigt war. Als Folge verlangte diese von der Klägerin im Wege der Schätzung nach § 28h Abs. 2 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Altenpflegers.
Klage beim Sozialgericht Berlin: keine selbständige Tätigkeit, sondern abhängige Beschäftigung
Hiergegen erhob die Klägerin eine Klage beim Sozialgericht Berlin, die vom Sozialgericht abgewiesen wurde. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin und der Altenpfleger zwar eine selbständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Jedoch überwögen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umsetzung der Vereinbarung die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände. So sah das Gericht den Altenpfleger im besonders hohen Maß in die Arbeitsorganisation der Pflegestation der Klägerin integriert. Er habe im Abrechnungsverhältnis zur Klägerin ausschließlich Patienten behandelt und gepflegt, deren Behandlung und Pflege ihm von der Klägerin angetragen worden sei. Der Altenpfleger habe für die Tätigkeit für die Klägerin auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt.
Dagegen legte die Klägerin die Berufung ein.
Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg: Der Altenpfleger war abhängig beschäftigt
Das LSG lehnte eine selbständige Tätigkeit ab und wies die Berufung zurück. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Rentenversicherung als Einzugsstelle zu Recht Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Altenpflegers bei der Klägerin festgesetzt hat. Das LSG teilte die Ansicht des Sozialgerichts, dass der Altenpfleger abhängig beschäftigt war.
Das LSG stellte fest, dass bei ambulanten Pflegediensten, genauso wie bei stationären Pflegeheimen, aufgrund der regulatorischen Vorgaben im Regelfall die Eingliederung aller eingesetzten Pflegekräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur des Pflegedienstes gegeben ist. Die Tätigkeit des Altenpflegers weist keine grundsätzlich anderen Ausprägungen gegenüber einer Pflegetätigkeit in einer Pflegeeinrichtung auf.
Das LSG stimmte dem Sozialgericht auch zu, dass der Altenpfleger im vorliegenden Fall in die betriebliche Organisation der Klägerin eingegliedert war. So war der Altenpfleger funktionsgerecht dienend in eine fremde Arbeitsorganisation integriert. Dies zeigt sich insbesondere an den Übergabeprotokollen und an dem Umstand, dass in Notfällen neben dem Arzt auch die Pflegedienstleistung (das Qualitätsmanagement) zur Verfügung gestanden hätte, welche dann auch entschieden hätten.
Zwar sprechen für eine selbständige Tätigkeit als Indizien, dass der Altenpfleger naturgemäß nicht an Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen musste oder teilnahm. Er konnte grundsätzlich frei entscheiden, ob er Pflegedienste übernehmen wolle. Im gewissen Umfang setzte er auch eigene Arbeitsmittel auf eigene Kosten ein. Einem unternehmerischen Risiko war er jedoch allenfalls im geringen Umfang ausgesetzt, soweit er eigene Arbeitsmittel eingesetzt hat, sich selbst fortgebildet hat und eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte. Diese geringer gewichtigen Indizien sind jedoch nicht geeignet die regelhaft gegebene Eingliederung des Altenpfleger in den Betrieb der Klägerin zu entkräften.
Jetzt bleibt abzuwarten, wie das Bundessozialgericht entscheidet.
Fazit: Probleme bei der Angrenzung der selbständigen Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung
Der vorliegende Fall zeigt, wie problematisch es sein kann, in der Praxis die selbständige Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung abzugrenzen. Es wird deutlich, dass die Tätigkeit, selbst wenn sie Indizien für eine Selbständigkeit aufweist, trotzdem als Beschäftigung eingestuft werden kann. Hierzu spielt die tatsächliche Umsetzung des Vertrages eine große Rolle. Um Risiken zu vermeiden, empfiehlt sich hierzu ein anwaltlicher Rat.

Sollten Sie Fragen zu diesem oder anderen rechtlichen Themen haben, zögern Sie nicht Kontakt aufzunehmen. Herr Rechtsanwalt Prochaska berät Sie bei allen Fragen des Wirtschaftsrechts. Als Fachanwalt liegt sein Schwerpunkt insbesondere auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts. Er steht Ihnen bei Fragen der Unternehmensgründung, der Unternehmensumwandlung, des Unternehmenskaufs oder der Unternehmensnachfolge ebenso mit Rat und Tat zur Seite wie bei der Ausgestaltung von Gesellschafts- und Geschäftsführerverträgen oder auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern. Ebenso berät Sie Herr Prochaska bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie hier sowohl in strafrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen als auch in steuerrechtlichen Verfahren. Sie erreichen ihn per E-Mail (prochaska@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.