Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Beschäftigung von Leiharbeitern in einem Schichtmodell, BAG Beschluss v. 28.07.2020 – 1 ABR 45/18

Sachverhalt: Kann ein Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats die Leiharbeiter in ein Schichtmodell einteilen?

Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über die Beschäftigung von Leiharbeitern ohne Zustimmung des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin erbringt logistische Dienstleistungen. Zu diesem Zweck unterhält sie in ihrem Betrieb, in dem der klagende Betriebsrat gewählt ist, ein Lager (Warehouse). Seit dem 1. April 2016 gilt im Betrieb die „Betriebsvereinbarung Arbeitszeiten“ vom 15./16. Dezember 2015. Danach werden alle Mitarbeiter der Betriebsteile Warehouse zu den Schichtzeiten beschäftigt. Ausgenommen sind die Mitarbeiter, welche die Funktion des „Direktor“ oder des „Manager MHS“ bekleiden. 

Ein Logistikunternehmen wollte Leiharbeiter ohne Mitbestimmung des Betriebsrats einsetzen

Anfang September bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur befristeten Einstellung von Leiharbeitern im Lager. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. Daraufhin teilte die Arbeitgeberin mit, sie werde die personellen Maßnahmen ab dem 8. September 2017 vorläufig durchführen. Dementsprechend waren im Zeitraum zwischen dem 8. September und dem 31. Oktober 2017 insgesamt 47 Leiharbeiter im Lager tätig. Ihr Einsatz erfolgte zu den in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Schichtzeiten.

Dagegen stellte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht einen Unterlassungsantrag und machte geltend, ihm stehe bei der Zuweisung der im Lager eingesetzten Leiharbeiter zu den vereinbarten Schichten ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. 

Die Arbeitgeberin begehrte Antragsabweisung, Sie machte geltend, die Schichteinteilung von Leiharbeitern sei nicht mitbestimmungspflichtig, da sie keinen Schichtplan aufstelle. Außerdem gebe der Verleiher die Einsatzzeiten der Leiharbeiter vor. Zudem fehle es an einem kollektiven Tatbestand.

Nachdem das Arbeitsgericht den Unterlassungsantrag abwies und das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Betriebsrats zurückwies, wendete sich der Betriebsrat an das BAG.

Entscheidung des BAG: Notwendige Zustimmung des Betriebsrats für die Beschäftigung von Leiharbeitern im Schichtmodell

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Zuordnung der Leiharbeiter zu den in der Betriebsvereinbarung festgelegten Schichten als Festlegung der konkreten Lage und der Verteilung der Arbeitszeit sowie der Pausen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebstrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterfällt. Es fehlt weder an einem kollektiven Tatbestand noch wird das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG durch die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in den personellen Angelegenheiten verdrängt. 

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin einen „Schichtplan“ aufstellt. Sollten die Leiharbeiter von dem Verleiher nur schichtbezogen zur Verfügung gestellt werden, bestimmt die Arbeitgeberin mit dem Einsatz und der dadurch bedingten Inkaufnahme einer vom Verleiher bzw. ggf. vom Leiharbeiter vorgegebenen Einsatzzeit automatisch die Zuordnung dieser Arbeitnehmer zu den Schichtzeiten. Damit trifft sie eine Maßnahme iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, die den notwendigen kollektiven Bezug aufweist. Daher steht dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch gegen die Arbeitgeberin zu.

(Quelle: Bundesarbeitsgericht) BAG: Einsatz von Leiharbeitern im Schichtmodell unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats

Ferner kam das BAG zu dem Ergebnis, dass die Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs die Arbeitgeberin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Die mögliche Beeinträchtigung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit durch mitbestimmte Regelungen über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ist die im Gesetz angelegte Folge des Bestehens von Mitbestimmungsrechten. Der Unterlassungsanspruch vereitelt auch nicht den „Kern der Unternehmensführung“ der Arbeitgeberin.

Keine tagesbezogene Androhung des Ordnungsgeldes

Im vorliegenden Fall begehrte der Betriebsrat außerdem die Androhung des Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung bezogen auf jeden Tag. Eine solche tagesbezogene Androhung wies das BAG ab. Ordnungsgeld kann gemäß § 890 Abs. 1 ZPO nur wegen einer „jeden Zuwiderhandlung“ gegen eine Verpflichtung, „eine Handlung zu unterlassen“ festgesetzt werden. Die vorliegend von der Arbeitgeberin zu unterlassende Handlung besteht in einer Beschäftigung von Leiharbeitern zu Schichtzeiten, ohne dass die Beteiligten zuvor über die Schichtzuteilung ein – ggf. ersetztes – Einverständnis erzielt haben. Da die Arbeitgeberin die Zuweisung der Leiharbeiter zu den Schichten nur zu Beginn ihres Einsatzes und damit nicht jeden Tag neu vornimmt, liegt in deren Beschäftigung keine arbeitstägliche ordnungsgeldbewehrte Zuwiderhandlung. Demgemäß kann auch eine Ordnungsgeldandrohung nicht tagesbezogen erfolgen.

Fazit: Keine einseitige Beschäftigung von Leiharbeitern in einem Schichtmodell!

Aus dem Beschluss des BAG wird deutlich, dass für die Beschäftigung von Leiharbeitern zu den Schichtzeiten eine Zustimmung des Betriebsrats notwendig sein könnte. Alles hängt davon ab, was in den Betriebsvereinbarungen geregelt ist. Wenn man in den abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen explizit die Leiharbeiter aus der Regelung über die Beschäftigung zu den Schichtzeiten nicht ausnimmt, kann der Betriebsrat dagegen vorgehen und sogar ein Ordnungsgeld androhen lassen. Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. 

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