Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund Outsourcing seiner Tätigkeiten einer Drittfirma, Urteil LAG Schleswig-Holstein – 5 Sa 438/17

Sachverhalt

Die Parteien führen einen Kündigungsstreit. Der Kläger ist bei der Beklagten, die zwei Restaurants und einen Pizza-Lieferservice betreibt, seit dem 01.05.2016 als Abteilungsleiter Marketing- und Qualitätsmanagement tätig. Zum Aufgabenbereich des Klägers zählten im Wesentlichen die Außendarstellung des Unternehmens, die Statistikauswertung zur Analyse der Marktstrategie sowie Preiskalkulationen für die Erstellung von Speise- und Eiskarten. Der Kläger war u. a. eingesetzt in den Bereichen Personalgewinnung und Personaleinsatzplanung sowie im Aufbau einer Warenwirtschaft. Zuletzt arbeitete er seit April 2017 überwiegend als Telefonist im Service-Center.

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beklagte den Bereich Marketing- und Qualitätsmanagement zum 01.08.2017 outsourcte.

Führung der Arbeitszeitkonten für die Mitarbeiter der Beklagten

Für die Mitarbeiter der Beklagten werden auf arbeitsvertraglicher Grundlage Arbeitszeitkonten geführt. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihre Arbeitszeiten über ein Computerprogramm festzuhalten. Dafür loggen sich die Mitarbeiter über ein Zeiterfassungssystem am Computer des jeweiligen Einsatzortes selbstständig ein und aus. Der Kläger konnte sich dafür sowohl von dem Computerterminal an seinem Arbeitsplatz im Verwaltungsgebäude der Beklagten als auch von den Computerterminals in den Restaurantfilialen der Beklagten ein- und ausloggen.

Der Beklagte behauptet, dass der Kläger sich von April bis Anfang Juni 2017 regelmäßig zur Mittagspause erst im Restaurant, welches sich neben dem Verwaltungsgebäude befindet, ausloggte und nach der Mittagspause bereits im Restaurant wieder einloggte, obgleich er nach dem Einloggen dort noch eine Weile blieb.

Nachdem der Kläger vom 30.05.2017 bis zum 9.06.2017 arbeitsunfähig krank war, bekam er eine ordentliche Kündigung zum 31.07.2017. Mit dem Schreiben vom 23.06.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut, nunmehr fristlos.

Dagegen erhob der Kläger die Kündigungsschutzklagen.

Erste Instanz

Das Arbeitsgericht gab den Kündigungsschutzanträgen statt und stellte fest, dass es für den Ausspruch der fristlosen Kündigung an einem wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB fehle. Die Beklagte könne sich nicht auf einen vorsätzlichen Missbrauch des Zeiterfassungssystems und damit Arbeitszeitbetrug berufen. Des Weiteren sei die ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht sozial gerechtfertigt.

Gegen das Urteil legte die Beklagte die Berufung ein. Die Beklagte trug vor, dass durch den begangenen Arbeitszeitbetrug des Klägers ihr ein Schaden entstanden sei und deshalb die ordentliche Kündigung als wirksam anzusehen sei. Außerdem habe sie die Hierarchieebene des Abteilungsleiters Marketing- und Qualitätsmanagement abgeschafft und die vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten einer Drittfirma übertragen.

Entscheidung der Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung noch durch die ordentliche Kündigung beendet wurde.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Falsche Erfassung der täglichen Arbeitszeit als Grund zur fristlosen Kündigung

Die wissentlich und vorsätzlich falsche Erfassung der täglichen Arbeitszeiten, um damit Vergütung für nicht erbrachte Arbeitsleistungen zu erhalten, ist grundsätzlich „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB.

Keine zeitliche Konkretisierung und keine substantiierte Darlegung des Arbeitszeitbetrugs

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch die einzelnen Pflichtverstöße vom Kläger weder zeitlich konkretisiert noch den hierdurch verursachten Umfang des Arbeitszeitbetrugs substantiiert dargelegt. Dementsprechend fehlt es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass überhaupt und in welchem konkreten Umfang der Kläger einen Arbeitszeitbetrug durch fehlerhafte Erfassung seiner Arbeitszeiten begangen hat.

Die nicht sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung

Nach dem Urteil des LAG ist die ordentliche Kündigung der Beklagten nicht sozial gerechtfertigt.

Dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein. Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist.

Dazu müssen – soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat – zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – auf den es dafür unverzichtbar ankommt – nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen.

Diese Voraussetzungen hat die nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Denn die Beklagte hat weder schlüssig dargelegt, dass der Arbeitsplatz des Klägers infolge der Fremdvergabe des Marketing- und Qualitätsmanagements (a) noch durch Streichung einer Hierarchieebene (b) spätestens zum 31.07.2017 in Wegfall geraten ist.

Im Falle des Abbaus einer Hierarchieebene oder der Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen.

Aus oben genannten Gründen endet das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch außerordentliche noch durch ordentliche Kündigung.