Keine Rückzahlung von Beiträgen zur SOKA-BAU für die Vergangenheit, BAG, Urteil vom 24.09.2019, 10 AZR 562/18 

Sachverhalt: Kann ein Arbeitgeber die Rückzahlung von Beiträgen zur SOKA-BAU für Zeiten verlangen, in denen keine Pflicht zur Zahlung bestand?

Jedes Unternehmen, das in Deutschland im Baugewerbe tätig wird, muss Beiträge an die SOKA-BAU zahlen. Bei der SOKA-BAU handelt es sich um eine Institution, die die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) unter einem Dach vereinigt. Beide Kassen sind Einrichtungen der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft. Die ULAK kümmert sich um die Sicherung von Urlaubsansprüchen und die Finanzierung der Berufsausbildung, die ZVK leistet eine Rentenbeihilfe. Die Leistungen hierzu werden von der SOKA-BAU erbracht. Außerdem treibt sie die entsprechenden Beiträge bei den Arbeitgebern ein. Aufgrund der Regelungen im Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) gilt diese Beitragspflicht auch für ausländische Werkunternehmen. Zudem haften Auftraggeber nach § 14 AEntG für die Zahlung dieser Beiträge an die SOKA-BAU.

Die Parteien streiten nun um die Rückzahlung der Beiträge, die von der SOKA-BAU eingezogen worden waren. Die Klägerin war mit ihrem Baubetrieb nicht im Arbeitgeberverband. Somit unterlag sie grundsätzlich nicht dem Tarifwerk, insbesondere dem VTV. Die Fassungen des VTV in der Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2014 wurden jedoch für allgemeinverbindlich erklärt. Die Klägerin zahlte von Januar 2010 bis Dezember 2014 auf Basis des VTV auch die Beiträge und bekam Erstattungen. Nach der Rechtsprechung des BAG waren die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen jedoch unwirksam (z.B. BAG, Beschluss vom 21.09.2016, 10 ABR 33/15 ). Aufgrund der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen verlangte die Klägerin daraufhin eine Rückzahlung der geleisteten Beiträge von der SOKA-BAU abzüglich der erhaltenen Erstattungen.

Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass sie ohne Rechtsgrund die Beiträge gezahlt hatte, § 812 BGB. Rechtsgrund wären nur die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen gewesen. Da diese unwirksam waren, bestand kein Rechtsgrund. Auch das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSIG) stellt keine Rechtsgrundlage dar, da dieses verfassungswidrig sei. Es läge zum einen eine unzulässige echte Rückwirkung vor. Zudem verstößt das SokaSIG gegen die negative Koalitionsfreiheit und verletzt die unternehmerische Freiheit. Die Klägerin verlangt daher fast 1,6 Mio. € von der SOKA-BAU zurück.

Die SOKA-BAU beantragte hingegen Klageabweisung. Nach ihrer Ansicht durfte sie aufgrund des SokaSIG die Beiträge behalten. Das SokaSIG ist auch verfassungsgemäß.

Die Entscheidung: Eine Rückzahlung der Beiträge durch die SOKA-BAU scheidet wegen § 7 SokaSIG aus

Auch für die Vergangenheit kann die SOKA-BAU Beiträge verlangen

Das BAG wies die Klage ab. Nach seiner Ansicht wurden die Beiträge an die SOKA-BAU nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Rechtsgrund ist das rückwirkend in Kraft getretene SokaSIG.

Zur Begründung führte das BAG zunächst aus, dass die Klägerin ursprünglich durch den VTV in Anspruch genommen wurde. Es bestätigte noch einmal, dass das BAG die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen festgestellt hatte. Dies wurde ex tunc, also als von Anfang an festgestellt. Damit waren die belastenden Tarifverträge von Anfang an unwirksam. Weiter wies das BAG darauf hin, dass es die Rückabwicklungsproblematik in seinen früheren Urteilen thematisiert hatte. Aus diesem Grunde wurde der Gesetzgeber aktiv und wollte einen Rechtsgrund für die Vergangenheit für die Beiträge mit dem SokaSIG schaffen.

Gegen das SokaSIG, insbesondere § 7 SokaSIG, bestehen nach dem BAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

So verletzt das SokaSIG nicht die negative Koalitionsfreiheit, da nicht tarifgebundene Arbeitgeber nicht gezwungen werden, sich dem Arbeitgeberverband anzuschließen. Zwar erzeugt die gesetzliche Geltungserstreckung des VTV einen gewissen Druck. Dieser ist jedoch nicht so erheblich, dass dadurch die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde.

Das SokaSIG verletzt auch nicht Art. 12 Abs. 1 GG, insbesondere die unternehmerische Betätigungsfreiheit. Die Beitragspflicht zur SOKA-BAU betrifft lediglich den Interessenausgleich zwischen den einzelnen Arbeitgebern untereinander und zu ihren Arbeitnehmern.

Schließlich verstößt das SokaSIG auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG. Insbesondere wird das Vertrauen der betroffenen Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht belastet zu werden, nicht verletzt. So hält das BAG zunächst fest, dass bei den betroffenen Arbeitgebern kein Vertrauen entstanden ist. Das BAG hatte mit Urteil vom 21.09.2016 erstmalig entschieden, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen unwirksam sind. Davor bestand kein Vertrauen darauf. Das BAG begründet dies damit, dass die überwiegende Rechtsansicht die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für wirksam hielt. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Sicht an, die etwa die Klägerin an den Tag gelegt hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen auf den Fortbestand zu begründen. Dies war bei der früheren Regelung der Fall. Ebenfalls konnte die Klägerin nach der Entscheidung des BAG nicht auf den Fortbestand des tariflosen Zustands vertrauen. So wurde der Entwurf des SokaSIG bereits am 13.12.2016 in den Bundestag eingebracht. Damit musste der Klägerin klar sein, dass die neue Rechtslage nicht fortbestehen würde.

Fazit: Keine Rückzahlung von Beiträgen zur SOKA-BAU

Das BAG legt in knappen Ausführungen dar, dass betroffene Arbeitgeber, obwohl damals Beiträge zur SOKA-BAU unrechtmäßig erhoben wurden, keinen Rückzahlungsanspruch haben. Dem hat der Gesetzgeber mit dem SokaSIG vorgebeugt. Betroffene Arbeitgeber müssen daher die Zahlungen, auch für die Vergangenheit, hinnehmen. Auswirkungen könnte jedoch die Rechtsprechung des BAG in Bezug auf Ordnungswidrigkeitenverfahren haben. Da der VTV nicht ordnungsgemäß für allgemeinverbindlich erklärt wurde, können auch keine Bußgelder hierauf gestützt werden. Aufgrund des Rückwirkungsverbots gilt dies auch für die Vergangenheit.

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