Höchstüberlassungsdauer und Tarifkollisionen, LAG Urteil 14 Sa 1133/23

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.04.2024 befasst sich mit der Frage, ob durch die Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist. Dieses Urteil hat besondere Bedeutung, da es die Anwendung und Kollision von Tarifverträgen zur Höchstüberlassungsdauer thematisiert.

Sachverhalt: Wie werden konkurrierende Tarifverträge angewendet?

Wie lange kann ein Elektriker überlassen werden?

Der Kläger, ein Elektriker, war seit dem 30.08.2021 als Leiharbeitnehmer bei der J. GmbH & Co. KG, einem Zeitarbeitsunternehmen, beschäftigt und wurde durchgängig bis zum 10.05.2023 bei der Beklagten, einem Unternehmen des Elektrohandwerks, eingesetzt. Der Kläger argumentierte, dass durch die Überschreitung der gesetzlich festgelegten Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten entstanden sei und er nach der Entgeltgruppe 5 des Entgeltrahmenabkommens zu vergüten sei. Die Beklagte berief sich auf den Tarifvertrag der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der eine Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer auf 36 Monate vorsieht.

Entscheidung des LAG

Tarifvertragliche Verlängerung der Überlassungshöchstdauer

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet wurde, da die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten durch einen Tarifvertrag der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) wirksam auf 36 Monate verlängert wurde. Dieser Tarifvertrag erfüllt die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, wonach Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine abweichende Höchstüberlassungsdauer festlegen können. Hierbei genügt die Tarifgebundenheit des Entleihers, um die Anwendung des Tarifvertrags zu gewährleisten, unabhängig von der Tarifgebundenheit des Verleihers oder des Arbeitnehmers.

„Vorübergehender“ Charakter der Überlassungsdauer

Das Gericht stellte klar, dass eine Höchstüberlassungsdauer von bis zu 48 Monaten noch als „vorübergehend“ im Sinne des AÜG angesehen werden kann. Diese Interpretation basiert auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs, die betonen, dass der vorübergehende Charakter der Überlassung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und Branchenbesonderheiten gewahrt bleibt.

Auflösung von Tarifkollisionen

Das Gericht entschied, dass bei konkurrierenden Tarifverträgen wie denen der CGM und IG Metall (IGM) § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG zur Anwendung kommt. Die Anwendung des § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG zur Auflösung von Tarifkollisionen ist dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber an mehrere, sich überschneidende Tarifverträge gebunden ist, auch wenn diese unterschiedliche Regelungsgegenstände haben. Im konkreten Fall führte das Gericht aus, dass die Tarifverträge der CGM und der IG Metall (IGM) unterschiedliche Regelungskomplexe betreffen: Während der Tarifvertrag der CGM Regelungen zur Höchstüberlassungsdauer für branchenfremde Zeitarbeiter enthält, befassen sich die Tarifverträge der IGM primär mit der kollegialen Arbeitnehmerüberlassung und den Bedingungen für verliehene Arbeitnehmer. Dabei betonte das Gericht, dass Regelungen des Minderheitstarifvertrags (CGM) nicht automatisch verdrängt werden, insbesondere wenn die Tarifverträge unterschiedliche Regelungskomplexe betreffen und keine explizite Verdrängungsabsicht besteht.

Tarifverträge ohne Regelung zur Höchstüberlassungsdauer

Das Gericht hob hervor, dass die Tarifverträge der IG Metall (IGM) keine expliziten Regelungen zur Höchstüberlassungsdauer enthalten. Es stellte fest, dass das Fehlen solcher Regelungen nicht auf eine bewusste Entscheidung zurückzuführen ist, diese Frage auszuklammern. Die Tarifparteien hatten bei der Aushandlung ihrer Verträge schlichtweg keine Verhandlungen oder Vereinbarungen über die Höchstüberlassungsdauer getroffen. Daher führt das Fehlen dieser Regelungen in den IGM-Tarifverträgen nicht zur Verdrängung der Bestimmungen des CGM-Tarifvertrags.

Fazit

Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der genauen Prüfung der Tarifverträge, die auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar sind, sowie der Berücksichtigung des „vorübergehenden“ Charakters der Überlassung und der rechtlichen Komplexität bei der Anwendung konkurrierender Tarifverträge.

Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es wesentlich, die für sie geltenden Tarifverträge und deren spezifische Regelungen zur Höchstüberlassungsdauer genau zu kennen. Arbeitgeber sollten besonders darauf achten, welche Tarifverträge in ihrem Unternehmen anwendbar sind, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.

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