Haftung des Strohmann-Geschäftsführers bei Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung, OLG Celle, Urteil vom 10.05.2017 – 9 U 3/17

Leitsatz

Auch ein Geschäftsführer, der als Strohmann fungiert, die Wahrnehmung seiner Kompetenzen Dritten überlässt und sich um die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeiter der Gestaltung nicht kümmert, haftet wegen der Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung und nimmt die Nichtabführung (im Sinne bedingten Vorsatzes) zumindest in Kauf.

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge. Die Beklagte ist eine ehemalige Geschäftsführerin der M. GmbH, die ein Callcenter für Telefondienstleistungen verschiedener Art betrieben hat. Bei der M. GmbH waren zwei Telefonistinnen tätig, die laut dem Vertrag selbständig tätig waren. Somit wurden für sie keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abgeführt.

Telefonistinnen – sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer

Das OLG Celle stellte fest, dass es sich hierbei nicht um Selbständige, sondern um sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer handelte. Als Begründung brachte das OLG Celle zum Ausdruck, dass die Telefonistinnen keine eigenen Betriebsmittel hatten, ihre Arbeit nicht delegieren durften, sich bei Erkrankung abmelden und Dienstpläne einhalten mussten sowie der Überwachung durch sogenannte Supervisoren unterlagen.

Aus den oben genannten Gründen haftet laut dem Urteil die ehemalige Geschäftsführerin wegen des Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a, 14 StGB. Dabei bleibt die Frage, ob die Geschäftsführerin als „bloße Strohfrau“ fungiert haben mag, unbeachtet.

Formelle Geschäftsführerstellung

Die Tatsache, dass die Geschäftsführerin die ihr kraft Gesetzes zustehenden Kompetenzen nicht genutzt, sondern diese anderen überlassen hat, befreit sie nicht von der Verantwortung. Hierzu verwies das OLG Celle auf dem BGH Beschluss vom 13.10.2016, 3 StR 352/16.  Danach begründet allein die Stellung als formeller Geschäftsführer nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen. Dies gilt auch dann, wenn ihm – als „Strohmann“ – rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen worden sind und für die Gesellschaft eine andere Person mit so weitreichenden Handlungskompetenzen auftritt, dass sie ihrerseits als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist.

Bedingter Vorsatz

Das OLG Celle kam zu dem Ergebnis, dass die Geschäftsführerin zumindest bedingt vorsätzlich handelte. Denn wer sich, wie es für Strohmannverhältnis typisch ist, nicht in eigener Person um seine Pflichten als Geschäftsführer kümmert, sondern sich auf etwaige Hinterleute verlässt, handelt bedingt vorsätzlich.

Fazit

Für die Praxis ist dieses Urteil ebenso wie der BGH Beschluss vom 13.10.2016 von großer Bedeutung. Danach trägt der Strohmann-Geschäftsführer alle Haftungsrisiken, wenn er formell bestellt und in das Handelsregister eingetragen ist. Personen, die als Strohleute auftreten, müssen darauf achten, dass die Durchführung ihrer Tätigkeit gesetzeskonform abläuft. Anderenfalls können selbst formelle Geschäftsführer, die keine Ahnung haben, dass beispielsweise die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeiter nicht rechtmäßig ist, wegen Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung zur Haftung gezogen werden.