Gemeinschaftlicher Betrieb versus Arbeitnehmerüberlassung, BAG Urteil 9 AZR 337/21 A

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) behandelt die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und der Beschäftigung in einem gemeinschaftlichen Betrieb. Das BAG klärt in diesem Fall die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer in einem Gemeinschaftsbetrieb arbeitet, der von zwei Arbeitgebern gemeinsam geführt wird, und wie dies im Verhältnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) einzuordnen ist.

Sachverhalt: Schließt ein gemeinschaftlicher Betrieb Arbeitnehmerüberlassung aus?

Der Kläger war als Arbeitnehmer bei einem Unternehmen beschäftigt, das ihn zur Arbeitsleistung einem Dritten zur Verfügung stellte. Im Rahmen dieser Überlassung war der Kläger für einen Zeitraum von mehr als 18 Monaten ununterbrochen bei dem Dritten tätig. Die beteiligten Unternehmen behaupteten, dass es sich hierbei um einen gemeinschaftlichen Betrieb handelt, der von beiden rechtlich und tatsächlich gemeinsam geführt werde. Der Kläger vertrat jedoch die Auffassung, dass es sich nicht um einen Gemeinschaftsbetrieb, sondern um eine Arbeitnehmerüberlassung handele.

Der Kläger machte vor Gericht geltend, dass aufgrund der Überschreitung der Überlassungshöchstdauer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher, also dem Dritten, entstanden sei. Er verlangte daher, dass das Gericht feststellt, dass er nun in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Dritten stehe und die Regelungen des AÜG anzuwenden seien. Seine Position basierte auf der Annahme, dass es sich nicht um einen gemeinschaftlichen Betrieb, sondern um eine Arbeitnehmerüberlassung handelte, die den gesetzlichen Vorschriften des AÜG unterliegt.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abwies und das Landesarbeitgericht die Berufung des Klägers zurückwies, wendete sich der Kläger an das BAG.

Gemeinschaftsbetrieb und Arbeitnehmerüberlassung schließen einander aus

Entscheidung des BAG: Liegt ein gemeinschaftlicher Betrieb vor?

Das BAG entschied, dass keine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorliegt, wenn der Arbeitnehmer in einem gemeinschaftlichen Betrieb beschäftigt ist, der von seinem Arbeitgeber und einem Dritten rechtlich zur gemeinsamen Führung errichtet wurde.

Das BAG stellte fest, dass eine Überlassung im Sinne des AÜG nicht gegeben ist, wenn ein Arbeitnehmer in einem gemeinschaftlichen Betrieb tätig ist, der von zwei rechtlich verbundenen Arbeitgebern gemeinsam geleitet wird. Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb schließen einander aus.

Einheitliche Leitung erforderlich

Für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs ist eine einheitliche Leitung erforderlich, die wesentliche Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten wahrnimmt. Diese Leitung darf sich nicht auf die bloße Überlassung von Arbeitnehmern beschränken. Da das LAG diese Aspekte nicht hinreichend geprüft hatte, wurde die Sache zur weiteren Klärung an das LAG zurückverwiesen.

Ein Hinweis darauf, dass ein Betrieb nicht tatsächlich ein Gemeinschaftsbetrieb ist, liegt vor, wenn in einem Betrieb aufgrund tarifvertraglicher Vorgaben mehrere Betriebsräte existieren, die jeweils für die Arbeitnehmer eines Arbeitgebers zuständig sind. Dies spricht dafür, dass die Personalführung nicht einheitlich ist, sondern nach Vertragsarbeitgebern getrennt.

Die bloße Existenz mehrerer Betriebsräte steht der Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs jedoch nicht zwingend entgegen. Es ist möglich, dass die betriebliche Mitbestimmung zu weitgehend einheitlichen Regelungen führt, selbst wenn verschiedene Verhandlungspartner involviert sind.

Keine Überschreitung der Überlassungshöchstdauer

Das BAG stellte in seiner Entscheidung außerdem fest, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Entleiher entstanden ist. Dies begründete das Gericht damit, dass die Überlassung des Klägers an den Dritten die zeitlichen Grenzen der Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1b AÜG nicht überschritten hat. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sieht eine solche Folge nur dann vor, wenn die zulässige Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten überschritten wird. Da diese zeitliche Grenze im vorliegenden Fall nicht verletzt wurde, konnte auch keine gesetzliche Folge in Form eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher eintreten. Dies war der Fall, weil nach der früheren Fassung des AÜG vor der Einführung der Überlassungshöchstdauer eine solche automatische Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht vorgesehen war.

Fazit

Das Urteil hat große Bedeutung für die Praxis, insbesondere für die Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung und gemeinschaftlichem Betrieb. Das Gericht stellte klar, dass ein Gemeinschaftsbetrieb eine rechtlich und tatsächlich gemeinsame Führung der beteiligten Arbeitgeber voraussetzt. Fehlt es an einer solchen gemeinsamen Leitung, liegt möglicherweise eine Arbeitnehmerüberlassung vor, auf die das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) anwendbar ist, insbesondere die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer.

Das Urteil hat für Arbeitgeber praktische Auswirkungen, da es ihnen aufzeigt, dass die rechtliche Konstruktion von Vertragsverhältnissen gut durchdacht sein muss, um nicht unbeabsichtigt in die Regelungen des AÜG zu geraten.

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