Der noch immer aktuelle Beschluss vom Bundesverfassungsgericht über das Verbot von Leiharbeit im Baugewerbe, 06.10.1987 – 1 BvR 1086/82
Sachverhalt: Greift das Verbot der Leiharbeit in die Grundrechte ein?

Auch wenn der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.10.1987 stammt, handelt es sich um ein sehr aktuelles Problem, und zwar um das Verbot der Leiharbeit. Das Bundesverfassungsgericht befasste sich in seiner Entscheidung mit der Frage, ob das Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe verfassungswidrig ist.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden richteten sich unmittelbar gegen das durch § 12 a des Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgesprochene Verbot der gewerbsmäßigen leiharbeit in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden. Die Beschwerdeführer fühlten sich durch das strittige Verbot in ihren Grundrechten beeinträchtigt und rügten Verletzungen von Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie des Art. 2 Abs. 1 GG.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Das Verbot der Leiharbeit ist verfassungskonform
Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Betroffenen durch das Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe in ihren Grundrechten betroffen sind. Das Verbot betrifft Verleiher in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit auf beruflichem Gebiet und in ihrer Berufsausübung selbst, gegenwärtig und unmittelbar. Es ist jedoch von Verfassungs wegen gerechtfertigt
Die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG)
Das Verbot der Leiharbeit trifft die Verleiher und die Leiharbeitnehmer im Bereich ihrer beruflichen Betätigung. Prüfungsmaßstab ist daher in erster Linie die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Keine Verletzung der Grundrechte des Verleihers
Mit dem Verbot der Leiharbeit an einen bestimmten Personenkreis und zu einem bestimmten Zweck werden weder objektive oder subjektive Zulassungsvoraussetzungen für den Beruf eines Verleihers aufgestellt noch wird dieser Beruf abgeschafft. Die Verleihtätigkeit stellt keinen eigenständigen Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG mit einem traditionell und auch gesetzlich ausgeprägten Berufsbild dar. Daher ist dieses Grundrecht nicht verletzt.
Selbst wenn das angesprochene Verbot in die Freiheit der Berufswahl eingreifen würde, ist dies gerechtfertigt. Die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke sind legitim und halten sich innerhalb der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers.
Angesichts der Dringlichkeit und des Gewichts der mit dem Verbot verfolgten Ziele muss das Interesse der betroffenen Verleiher am Fortbestand der Möglichkeit zurücktreten, ihren Beruf auch durch den Verleih ins Baugewerbe auszuüben. Die Wiederherstellung der erheblich gestörten Ordnung auf dem Teilarbeitsmarkt Baugewerbe und die Sicherung der finanziellen Stabilität der Träger der Sozialversicherung sind Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung. Sie rechtfertigen entsprechende Maßnahmen auch dann, wenn sie für die Betroffenen zu fühlbaren Einschränkungen oder im Einzelfall zur Existenzgefährdung oder Vernichtung von Betrieben führen können.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Verbot geeignet ist, die angestrebten Zwecke zu fördern, insbesondere die Bekämpfung illegaler Leiharbeit wirksamer zu gestalten und eine weitere Verschlechterung der Situation zu verhindern oder einzudämmen.
Keine Verletzung der Grundrechte der Entleiher
Die beschwerdeführenden Entleiher sind in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls nicht verletzt.
Personelle Flexibilität und variable Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Arbeitskraft Dritter sind keine von der jeweiligen Arbeitsmarkt- und Arbeitsrechtspolitik des Gemeinwesens unabhängige Gemeinschaftsgüter von verfassungsrechtlichem Rang. Sie sind nicht geeignet die wirtschafts-, arbeitsmarkt- oder sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers einzuschränken. Dagegen können die beschwerdeführenden Unternehmen des Baugewerbes nicht geltend machen, die Bauwirtschaft sei angesichts der angespannten Wettbewerbslage zur Sicherung ihrer Rentabilität oder ihrer internationalen und nationalen Wettbewerbsfähigkeit auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern angewiesen. Das Verbot könne mittelbar Auswirkungen auf die Struktur des Baugewerbes entfalten oder es bereite angesichts der Marktlage Schwierigkeiten, verbotsbedingte Mehrkosten über den Preis auf den Verbraucher abzuwälzen. Die situationsbedingte und prinzipiell variable Marktlage ist kein geeignetes Kriterium zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes.
Keine Verletzung der Grundrechte von Leiharbeitern
Schließlich sind Leiharbeiter auch nicht in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
In der Entscheidung, ein Arbeitsverhältnis zu einem Verleihunternehmen mit dem Ziel des Verleihs in Betriebe des Baugewerbes zu begründen, liegt kein Akt der Wahl eines besonderen Arbeitnehmerberufes. Die arbeits- oder sozialrechtlichen Schutzregelungen für Leiharbeitnehmer oder tatsächliche Besonderheiten ihrer Beschäftigungssituation berühren weder den arbeitsrechtlichen Status noch den berufsprägenden Tätigkeits- und Qualifikationsbereich. Sie rechtfertigen es nicht, das Leiharbeitsverhältnis als besonderen Arbeitnehmerberuf mit selbständigem Schutzanspruch anzusehen.
Keine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG
Das Verbot der Leiharbeit verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht ist schon deshalb nicht verletzt, weil das streitige Verbot die Verleihunternehmen und die Betriebe des Baugewerbes nicht in der Ausübung von Eigentümerbefugnissen oder im Ergebnis ihrer beruflichen Betätigung trifft, sondern sich auf die Art der Berufsausübung bezieht.
Keine Prüfung des Art. 2 Abs. 1 GG
Soweit Art. 2 Abs. 1 GG die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit schützt, ist für eine Prüfung am Maßstab dieses Grundrechts kein Raum. Betrifft die beanstandete Regelung die Handlungsfreiheit im Bereich des Berufsrechts, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG gefunden hat, scheidet Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab aus.
Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
Die Beschwerdeführer griffen die rechtlich gleiche Behandlung aller Verleihbetriebe trotz wesentlich unterschiedlicher Verhältnisse bei Mischbetrieben des Baugewerbes, Mischverleihern und ausschließlich für das Baugewerbe tätigen Verleihern an. Laut dem Bundesverfassungsgericht liegt der Grund dafür in dem gemeinsamen Merkmal des Verleihs in das Baugewerbe. Eine rechtliche Unterscheidung je nach Art und Umfang des Verleihes in das Baugewerbe hätte zur Komplizierung der gesetzlichen Regelung geführt und deren Wirksamkeit gefährdet.
Das Bundesverfassungsgericht führte jedoch aus, dass durch diese zum Vergleich gestellten Sachverhalte die Verleihunternehmen nicht selbst betroffen sind. Eine gleichheitswidrige Benachteiligung im Vergleich zu den Unternehmen anderer Wirtschaftszweige und eine ungerechtfertigte Bevorzugung der vom Verbot nicht erfassten Unternehmen, mit denen Beschwerdeführern bei der Erbringung von Bauleistungen in Konkurrenz stehen (etwa Werftindustrie und Gaststättengewerbe), konnten sie nicht geltend machen.
Fazit: Gleiches Szenario beim Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie?
Es bleibt nun abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht für das geplante Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit die gleichen Argumente heranzieht. Führende Kommentatoren zum AÜG sehen das Verbot von Leiharbeit im Baugewerbe heute nicht mehr als gerechtfertigt an. Für die Fleischwirtschaft kommen sie in einem gemeinsamen Aufsatz in der NZA zum gleichen Ergebnis. Es fehlt bereits an der Geeignetheit des Verbots, um schlechte Arbeitsbedingungen zu verhindern. Auf Werkverträge lässt sich die Argumentation eins zu eins übertragen.

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