Betriebsbedingte Kündigung – Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen – Mindestlohngesetz, LArbG Baden-Württemberg vom 6.04.2018 – 11 Sa 40/17
Sachverhalt
Die Parteien streiten über eine Kündigung der Beklagten vom 27. September 2016 aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse sowie über Differenzlohnansprüche wegen behaupteter sittenwidriger Vergütungsvereinbarung, die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die Gutschrift von Überstunden auf ein Arbeitszeitkonto.
Die Beklagte konzipiert Aluminiumplattformen für hydraulische LKW-Ladebordwände, Aluminiumbrücken, Türme, Stege und Treppen und beschäftigt circa 40 Arbeitnehmer. Der Kläger ist seit 1997 bei der Beklagten als Techniker tätig.
Ein bei der Beklagten für den Kläger geführtes Überstundenkonto wies zum Jahresende 2009 453,77 Überstunden aus, die zum Jahreswechsel 2009/2010 durch die Beklagte ohne Gegenleistung gestrichen wurden.
Unter Punkt 9 des Arbeitsvertrages, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, vereinbarten die Parteien eine Verfallsfrist mit folgendem Wortlaut:
„Verfallsfrist
Die Parteien vereinbaren, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten nach Fälligkeit verfallen. Der Verfall tritt nicht ein, wenn solche Ansprüche innerhalb dieses Zeitraumes schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden.“
Mit Schreiben vom 3. August 2016 machte der Kläger gegenüber der Beklagten für den Zeitraum 2013 bis einschließlich Juli 2016 Vergütungsdifferenzen wegen Sittenwidrigkeit der bezahlten Monatsvergütung geltend. Daneben begehrte er in diesem Schreiben die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 bis einschließlich 2015 sowie einen Ausgleich für die Ende 2009 gestrichenen Überstunden.
Daraufhin kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017 und berief sich dabei auf betriebsbedingte Gründe.
Dagegen legte der Kläger beim Arbeitsgericht Lörrach eine Klage ein.
Mit Urteil vom 28. Juni 2017 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. September 2016 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil legten die Parteien die Berufungen ein.
Urteil des LArbG Baden-Württemberg
Das LArbG stellte fest, dass die Ansprüche des Klägers für die Jahre 2013 bis einschließlich 2015 verfallen sind, wie im Arbeitsvertrag vorgeschrieben wurde.
Eine nicht überraschende Regelung
Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist von drei Monaten ist nicht überraschend i.S.d. § 305 c Abs. 1 BGB, denn die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben. Der im Rahmen der Sittenwidrigkeit geltend gemachte Einwand des Klägers, er habe nicht gewusst, was die Verfallsfrist bedeutet, ändert daran nichts.
Eine ausreichende Regelung
Diese Regelung ist ausreichend und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand. Es benachteiligt den Kläger nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, wenn er für die schriftliche Geltendmachung seiner Ansprüche diesen Zeitraum zur Verfügung hat.
Eine nicht intrasparente Regelung
Die Klausel ist nicht intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ordnet eindeutig den Verfall der Ansprüche an, wenn diese nicht innerhalb einer Verfallsfrist von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Daran ändert sich nach Ansicht der Kammer nichts dadurch, dass sie im Hinblick auf die Mindestlohnansprüche unwirksam ist.
Ein Altvertrag aus dem Jahr 1997
Im Hinblick darauf, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Altvertrag aus dem Jahr 1997 handelt, stellte das LArbG fest, dass die Verfallfristregelung wirksam ist und auf die angesprochenen Ansprüche anzuwenden ist.
Aus diesem Grund sind die Ansprüche des Klägers verfallen, weil er sie mehr als drei Monate nach Fälligkeit geltend gemacht hat.
Die unwirksame betriebsbedingte Kündigung
Ferner kam das LArbG zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, dass betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist. Als Begründung führte das LArbG aus, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 b) KSchG ist. Die Beklagte hätte dem Kläger eine der anderen freien Stellen anbieten müssen.
Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung
Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG liegt nur vor, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Daher muss der Arbeitgeber von sich aus vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung dem Arbeitnehmer eine für beide Parteien objektiv mögliche und zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten. Als „frei“ ist ein Arbeitsplatz dann zu bewerten, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsplatz unbesetzt ist oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird.
Der Umstand, dass andere Tätigkeit schlechter bezahlt und von den Anforderungen geringwertiger ist, lässt die Verpflichtung der Beklagten ebenfalls nicht entfallen. Lediglich dann, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Änderungen auch nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annimmt, kann der Arbeitgeber davon absehen.