Bericht

 11. Seminar

Fremdpersonaleinsatz? – Kein Auslaufmodell

im Sheraton-Hotel Frankfurt Flughafen am 15.03.2019

Das jährliche Seminar war wie immer gut besucht und wurde erfolgreich durchgeführt. Der Fremdpersonaleinsatz bleibt ein Thema voller Herausforderungen. Hierzu gaben unsere Referenten einen ausführlichen Überblick über die wichtigen Aspekte und beantworteten die Fragen der interessierten Teilnehmer.

 

Die Rechtsprechung des EuGH zur Bindungswirkung von A1-Bescheinigung

Im ersten Vortrag erläuterte Herr Prof. Dr. Tuengerthal die Frage, inwieweit man sich noch voll auf die von einem EU-Werkunternehmen vorgelegten A1-Becheinigungen für dessen Arbeitnehmer verlassen kann.

Anhand der EuGH-Rechtsprechung zeigte Herr Tuengerthal die Entwicklung des Entsenderechts. Hierzu brachte er zwei Urteile des EuGH aus dem Jahr 2018, in denen der EuGH festgestellt hat, dass das nationale Gericht betrügerisch erlangte Entsendebescheinigungen außer Acht lassen kann. Als Ergebnis ist es für deutsche Auftraggeber äußerst problematisch sich ohne Weiteres auf die A1-Bescheinigungen zu verlassen. Die deutsche Seite könnte jederzeit, wenn irgendwelche Unklarheiten auftreten, behaupten, dass A1-Bescheinigungen betrügerisch erlangt worden sind. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, dass deutsche Unternehmen vor dem Abschluss des Werkvertrags sich selbst absichern, ob die Vorrausetzungen für die Erlangung von A1-Bescheinigungen tatsächlich gegeben sind.

Hierzu gibt es aber auch gute Entwicklung in der Rechtsprechung. Erneut positiv für die Bindungswirkung von A1-Bescheinigungen entschied der EuGH im Urteil Alpenrind II vom 06.09.2018. Der EuGH hat sich wieder auf die Aussage in seiner Entscheidung Herbosch Kiere bezogen und ist von der Fortgeltung der A1-Bescheinigung ausgegangen, solange nicht in einem Vertragsverletzungsverfahren zwischen Österreich und Ungarn die Unrichtigkeit der A1-Bescheinigung festgestellt würde. A1-Bescheinigungen haben somit Bindungswirkung, solange sie nicht betrügerisch erlangt wurden.

Die Einziehung als weitere Sanktion beim fehlerhaften Fremdpersonaleinsatz

Herr Rechtsanwalt Andorfer trug über die Neuregelung der §§ 73 ff. StGB und § 29a OWiG vor, die seit 01.07.2017 in Kraft sind. Danach wurde der Begriff „Einziehung“ (früher „Verfall“ genannt) mit dem Ziel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingeführt.

In seinem Referat erläuterte Herr Andorfer die Änderungen. Mit Hilfe von Beispielen wurde erklärt, welche Auswirkung dies in der Praxis hat. Außerdem gilt für die Einziehungsfälle eine Verjährung von 30 Jahren gemäß § 76d StGB, was verfassungswidrig ist. Diese Ansicht schloss sich auch der BGH in einem von der Kanzlei geführten Verfahren an.

Zusätzlich brachte Herr Andorfer die entsprechenden Vorschriften des OWiG zum Ausdruck und stellte die Relevanz für den Fremdpersonaleinsatz dar.

Im Ergebnis bringt die gesetzliche Neuregelung Konsequenzen für jede Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die in einem wirtschaftlichen Vorteil resultiert. Die „Einziehungsinstrumente“ des Staates können für Unternehmen im Alltag der Werkverträge und der Zeitarbeit eine große Rolle spielen.

Um unangenehme Risiken zu vermeiden, sollte man alle Prozesse und Abläufe der werkvertraglichen Tätigkeit bzw. der Arbeitnehmerüberlassung auditieren lassen.

Zum Prüfungsvorgehen der Bundesagentur für Arbeit – Erfahrungen aus der Praxis

Im nächsten Vortrag veranschaulichte Herr Rechtsanwalt Greulich in Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung die Problematik des Prüfungsvorgehens der Bundesagentur für Arbeit in der Praxis. Die Erlaubnispflicht für Arbeitnehmerüberlassung schreibt § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG vor. Die Bundesagentur für Arbeit ist die Erlaubnisbehörde, die faktisch die „staatliche Kontrolle“ einer vertraglichen Abwicklung zwischen zwei Unternehmen durchführt. Dabei bezieht sich die Bundesagentur für Arbeit auf gesetzliche Vorgaben des AÜG. Gemäß § 17 AÜG führt sie jedoch das AÜG nach fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.Seminar der AWZ

Fachliche Weisung ist eine Interpretation des AÜG durch BMAS. Sie ist zwar eine Verwaltungsvorschrift – kein Gesetz. Dies bedeutet, sie ist nur für Dienststellen bindend. Es ist jedoch empfehlenswert die Regelungen zum AÜG in Anlehnung an die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit umzusetzen.

Hierzu brachte Herr Greulich Schwerpunkte der Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit zum Ausdruck. Unter anderem wurden folgende Aspekte der Prüfung dargestellt:

  • Anwendung von Tarifverträgen sowie des Gleichstellungsgrundsatzes (equal-pay/equal-treatment);
  • Einhaltung der Überlassungsdauer;
  • korrekte Eingruppierung des Leiharbeitnehmers entsprechend der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit;
  • Gewährung von Mindestlöhnen, von Aufwendungsersatz für Fahrkosten, Arbeits-, Sicherheitskleidung etc.;
  • Vollständigkeit der Vertragsunterlagen;
  • Einhaltung der Kennzeichnungspflicht;
  • Konkretisierung des Leiharbeitnehmer.

Die häufigsten Führungsfehler in der Personaldienstleistung

Das nächste Referat hielt Herr Brandl, der Geschäftsführer der Truchsess & Brandl Vertriebsberatung OHG. Aus eigener Erfahrung berichtete Herr Brandl über die möglichen Fehler von Geschäftsführern. Er sprach über Führungs-Fallen. Unter anderem nannte er auch das Problem der emotionalen Bindung von Arbeitnehmern zum eigenen Arbeitsplatz, das aus der Gallup Studie in Deutschland ersichtlich ist. Um Fehler zu vermeiden, gab Herr Brandl viele praktische Ratschläge für die Durchführung der Tätigkeit und für den Umgang mit den Mitarbeitern.

Die Kriterien für die Abgrenzung von Selbständigen zu Arbeitnehmern nach der Rechtsprechung

Der vorsitzende Richter am Bayerischen Landessozialgericht München, Herr Rittweger, stellte unterschiedliche Kriterien für die Abgrenzung von Selbständigen zu Arbeitnehmern dar. Hierzu berichtete er über das Statusklärungsverfahren nach § 7a SGB IV und seine Historie. An Beispielen zu den unterschiedlichen Sachverhalten kommentierte Herr Rittweger Entscheidungen der deutschen Sozialgerichte. Außerdem kritisierte der Referent eine dem jeweiligen Rechtsgebiet spezifische unterschiedliche Auslegung bestimmter Vorschriften durch die Gerichte verschiedener Instanzen und verschiedener Gerichtszweige.

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Unter anderem sprach Herr Rittweger über die wesentlichen Kriterien wie Entgelthöhe als Indiz für eine selbständige Tätigkeit, eine Erlaubnis als Voraussetzung selbständiger Erwerbstätigkeit, sowie die Natur der Sache. Außerdem erläuterte der Referent die Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit von einer Beschäftigung nach Berufsgruppen.

Abschließend führte Herr Rittweger aus, dass die Angrenzungsproblematik kein deutsches Rechtsproblem ist. Beispielsweise zeigen einige Entscheidungen anderer Gerichte (EuGH; Arbeitsgericht London sowie High Court of California), dass „Scheinselbständigkeit“ ein verbreitetes Themengebiet darstellt.

 

Auswirkung der aktuellen Gesetzgebung auf die Quantität und Qualität des Wissenstransfers zwischen externen Experten & Unternehmen

Den nächsten Vortrag hielt Herr Sellinger, Projektleiter für angewandte Forschungs- und Transferprojekte des Instituts für Management und Innovation. Er berichtete über die von seinem Institut durchgeführte Studie, in deren Rahmen drei Zielgruppen (Freelancer, Auftraggeber und Dienstleistungsunternehmen) befragt wurden. Nach einer intensiven Einarbeitung und der Durchführung der Experteninterviews wurde folgende These formuliert:

Die aktuelle Gesetzgebung hat negative Auswirkungen auf die Qualität und Quantität des Wissenstransfers zwischen externen Experten und Auftraggebern.

Zum Thema Scheinselbstständigkeit wurde auch festgestellt, dass die durch die Deutsche Rentenversicherung empfohlene Kriterien zur Abgrenzung von Scheinselbstständigkeit bei wissensintensiven Dienstleistungen nicht immer einzuhalten sind. Unsicherheiten bezüglich der Beschäftigung von Freelancern haben bei den Unternehmen zugenommen. Auftraggeber versuchen sich durch die Einführung von Unternehmensstandards für die Zusammenarbeit mit Freelancern vor möglichen Konsequenzen zu schützen.

Zum Thema Arbeitnehmerüberlassung führte Herr Sellinger aus, dass seit der AÜG-Reform von 2017 die administrativen Aufwendungen bei der Befragung von wissensintensiven Dienstleistern auf beiden Seiten gestiegen sind. Die Unsicherheit in Bezug auf Inhalte und Auswirkungen der Gesetzgebung zur Arbeitnehmerüberlassung hat seit der Reform von 2017 zugenommen. Auftraggeber setzen bei der Abwicklung von wissensintensiven Dienstleistungen seit der AÜG-Reform verstärkt auf die Arbeitnehmerüberlassung. Außerdem wird die flexible Arbeitszeitgestaltung bei wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen eingeschränkt.

Die Ergebnisse der Studie werden zeitnah kostenfrei auf https://imi.hwg-lu.de verfügbar sein.

EU-DSGVO – Gemeinsame Verantwortung (Joint-Controller-Ship) beim Fremdpersonaleinsatz

Herr Dr. Marschall berichtete über die DSGVO und ihre Wirkung auf den Fremdpersonaleinsatz. Hierzu muss der Einsatz vom Fremdpersonal zwingend mit dem Datenschutz in Einklang gebracht werden. In seinen Vortrag sprach der Referent über Joint-Controller-Ship – Gemeinsam Verantwortliche bei der Bearbeitung der persönlichen Daten. Hierbei benötigt jeder Verantwortliche eine Erlaubnisnorm für seinen Teil der Datenverarbeitung. Durch eine gemeinsame Vereinbarung (Joint-Controller-Agreement) könnte man die Verantwortlichkeiten klar zuteilen. Betroffenen, deren Daten bearbeiten werden, muss das Wesentliche der Vereinbarung zur Verfügung gestellt werden. Herr Dr. Marschall zeigte außerdem mögliche Gliederungspunkte und Beispielsklauseln solcher Vereinbarungen. Bei einer fehlenden oder fehlerhaften Vereinbarung drohen zahlreiche Rechtsfolgen.

Neuste Rechtsprechung zum Fremdpersonaleinsatz

Im letzten Vortrag berichtete Herr Rechtsanwalt Prochaska über die neueste Rechtsprechung zum Fremdpersonaleinsatz. Im Rahmen des Vortrags wurden folgende Urteile den Teilnehmern erläutert:

  • BAG, Urteil vom 20.03.2018 – 9 AZR 508/17
  • ArbG Mainz, Urteil vom 28.06.2018 – 3 Ca 111/18
  • BGH, Urteil vom 24.01.2018 – 1 StR 331/17
  • BGH, Beschluss vom 13.12.2018 – 5 StR 275/18

Das Seminar wurde erfolgreich abgeschlossen. Nach jedem Vortrag hatten die Teilnehmer die Gelegenheit Fragen zu stellen, auf die unsere Referenten umfassende Antworten gegeben haben. Während der Pausen haben alle Beteiligten des Seminars an den Diskussionen teilgenommen und ihre Erfahrungen ausgetauscht.

Einladung zur Mitgliedschaft in der AWZ

Am Schluss der Veranstaltung bedankte sich der Vorsitzende der AWZ Prof. Tuengerthal für die sehr engagierte Mitwirkung der Tagungsteilnehmer am Seminar. Er wies darauf hin, dass die AWZ auf die Tagungsteilnehmer wegen einer Mitgliedschaft in der AWZ zukommen wird, damit die AWZ nach außen hin noch schlagkräftiger wird.