Beitragspflicht zur SOKA-Gerüstbau für Ersteller mobiler Bühnen? BAG Urteil vom 27.01.2021, 10 AZR 512/18

Sachverhalt: Entsteht für die Errichtung von mobilen Bühnen eine Beitragspflicht zur SOKA-Gerüstbau?

Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen des Gerüstbaugewerbes (SOKA-Gerüstbau). Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Gerüstbaugewerbe, die zum Einzug der Beiträge zu der Sozialkasse im Gerüstbaugewerbe verpflichtet ist. Die Grundlage dafür ist der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbauerhandwerk vom 20. Januar 1994 idF vom 11. Juni 2002 (VTV-Gerüstbau).

Im Gerüstbau gibt es eine eigene Sozialkasse (SOKA-Gerüstbau)

Die Beklagte plant, erstellt und errichtet mobile Open-Air-Bühnen, die meist von international bekannten Künstlern auf Veranstaltungen und Tourneen genutzt werden. Sie müssen zu diesem Zweck mehrmals auf- und abgebaut werden. In der Regel wird zunächst eine Unterkonstruktion erstellt, auf der die Bühne, teilweise mit Türmen oder anderen Aufbauten, errichtet wird. Die Unterkonstruktion besteht aus standardisierten Bauelementen.

Der Kläger war der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Die in ihrem Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer seien arbeitszeitlich überwiegend mit Arbeiten beschäftigt gewesen, die in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau fielen. Aus diesem Grund begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung der Beiträge in die SOKA-Gerüstbau in Höhe von 120.684,72 Euro für den Zeitraum Januar-Dezember 2011.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidung des BAG: Die Beklagte ist verpflichtet, Beiträge an die SOKA-Gerüstbau zu zahlen

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Revision der Beklagten nicht ausreichend begründet und damit unzulässig ist.

Aus diesem Grund ist die Beklagte verpflichtet, an den Kläger für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2011 Beiträge in unstreitiger Höhe von 120.684,72 Euro zu zahlen. Die Ansprüche ergeben sich aus § 15 Abs. 1 iVm. der Anlage 46 SokaSiG2 und § 14 Abs. 1 und 2 VTV-Gerüstbau.

Mobile Bühnen sind Sonderkonstruktion der Rüsttechnik

Das BAG stellte fest, dass der Betrieb der Beklagten in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau fällt. Der betriebliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 2 Abschn. I Buchst. a VTV-Gerüstbau für Betriebe des Gerüstbauerhandwerks eröffnet. Maßgeblich ist, ob im Betrieb nach seiner durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung arbeitszeitlich überwiegend mit eigenem oder fremdem Material gewerblich Gerüste erstellt werden. Als Gerüste gelten alle Arten von Arbeits-, Schutz- und Traggerüsten, Fahrgerüste und Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik. Mobile Bühnen sind Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I Buchst. a Satz 4 VTV-Gerüstbau.

Der Begriff des „Gerüsts“ iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I Buchst. a Satz 4 VTV-Gerüstbau ist nicht auf Baugerüste beschränkt. Die Einbeziehung „aller Arten“ der näher bezeichneten Gerüste sowie von „Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik“ verdeutlicht, dass der Begriff des Gerüsts umfassend zu verstehen ist. Maßgebend für den Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau ist die Art der Konstruktion unter Verwendung von Gerüstbauteilen, die einen relativ einfachen Auf- und Abbau und die mehrfache Verwendung ermöglicht.

Das Bundesarbeitsgericht ordnet die Erstellung von Bühnen der SOKA Gerüstbau zu

Der Bau und die Prüfung von Bühnen gehören außerdem zu den in der Meisterprüfung im Gerüstbauerhandwerk relevanten Kenntnissen. Die Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs des VTV-Gerüstbau für einen bestimmten Betrieb setzt jedoch nicht voraus, dass dort ausgebildete Fachkräfte des Gerüstbauerhandwerks eingesetzt werden. Der betriebliche Geltungsbereich kann auch eröffnet sein, wenn ein Betrieb Tätigkeiten des Gerüstbaus mit in anderen Berufen ausgebildeten oder angelernten Arbeitskräften ausführt.

Fazit: Auch bei der Vorbereitung von Musikevents drohen Beiträge zur SOKA-Gerüstbau

Aus dem Urteil des BAG wird deutlich, dass der Auf- und Abbau von mobilen Bühnen eine Sonderkonstruktion der Rüsttechnik darstellt und deswegen in den Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau fällt. Aus diesem Grund müssen Beiträge an die SOKA-Gerüstbau entrichtet werden. Außerdem zeigt das Urteil, dass die Beiträge auch rückwirkend verlangt werden können, im vorliegenden Fall geht es um die Beiträge für das Jahr 2011. Daher ist es für alle Unternehmen, die Bühnen auf – und abbauen, empfehlenswert sich im Voraus abzusichern und mit der Beitragspflicht auseinanderzusetzen. Hierzu empfiehlt sich ein anwaltlicher Rat.

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