Änderung der Rechtsprechung zum Irrtum über die Arbeitgeberstellung bei § 266a StGB? – Irrtum schützt vor Strafe nicht! Oder doch?!
BGH Urteil vom 24.01.2018, Az. 1 StR 331/17
Sachverhalt:
Einsatz von Scheinselbstständigen im Baubereich
Der BGH hat über einen Fall zu entscheiden, in dem ein polnischer Selbstständiger wegen Hinterziehung von Sozialabgaben und Lohnsteuer angeklagt wurde. Dem Polen wurde vorgeworfen, dass von ihm beauftragte weitere polnische Subunternehmer seine Arbeitnehmer seien. Diese hätten die gleiche Büroadresse wie er, die Vorlagen von Rechnungen seien durch seinen Rechtsanwalt und Steuerberater erfolgt, in den Rechnungen der Subunternehmer sei die Bankverbindung des Angeklagten aufgeführt, der Angeklagte habe ein Stundenbuch über die Einsätze der polnischen Selbstständigen geführt und diese sprächen die deutsche Sprache kaum oder gar nicht usw.
Die Vorinstanz hatte den polnischen Selbstständigen wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums freigesprochen.
Zukünftig andere Auswirkungen des Irrtums über die Arbeitgebereigenschaft
Der BGH kassierte den Freispruch, da die Beweismittel fehlerhaft gewürdigt waren und wesentliche Punkte, die für eine Arbeitgeberstellung sprachen, nicht berücksichtigt worden seien. Der BGH gab jedoch zugleich auch einen Hinweis auf die subjektive Seite. Nach § 16 StGB entfällt der Vorsatz, wenn sich der Täter über die Verwirklichung eines Tatbestandes irrt. Fehlt ihm hingegen die Einsicht Unrecht zu tun, so handelt er im Verbotsirrtum, § 17 StGB. Nur wenn dieser unvermeidbar ist, wird der Täter nicht bestraft. An die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums werden jedoch sehr hohe Hürden seitens der Rechtsprechung gestellt.
Im Rahmen des § 266a StGB, Hinterziehung von Sozialabgaben, führte dies nach der Rechtsprechung des BGH bislang dazu, dass es genügte, dass der Täter die Tatsachen kannte, die ihn zu einem Arbeitgeber machten. Die rechtliche Würdigung dahingehend musste er hingegen nicht ziehen. Ein solcher Irrtum führte somit zu einem Verbotsirrtum.
Im Steuerrecht hingegen war es erforderlich, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde oder der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will. Irrt er sich hierüber, etwa weil er denkt, er sei nicht Arbeitgeber und daher nicht zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet, führte dies zu einem Tatbestandsirrtum.
Da der BGH für eine Differenzierung keinen sachlichen Grund erkennt und es sich jeweils um normative Tatbestandmerkmale handelt, erwägt der Senat zukünftig auch bei entsprechenden Irrtümern im Rahmen von § 266a StGB einen Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB anzunehmen.
Die Folgen für betroffene Unternehmen
Sollte der BGH zukünftig diese Ansicht vertreten, würde dies dazu führen, dass bei einem entsprechenden Irrtum des Betroffenen der Vorsatz entfällt. Da z.B. § 266a StGB nicht fahrlässig begangen werden kann, würde damit auch eine entsprechende Strafbarkeit entfallen. Betroffene, die hier Unterstützung benötigen können sich gerne an unsere Kanzlei wenden.