Aufenthaltserlaubnis für Drittstaatsangehörige bei Entsendung, EuGH Urteil C-540/22
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-540/22 behandelt die Anforderungen an die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Drittstaatsangehörige, die von einem Unternehmen in einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden.
Sachverhalt: Kann ein EU-Mitgliedstaat von den aus einem anderen EU-Mitgliedstaat entsandten Drittstaatangehörigen Aufenthaltserlaubnisse verlangen?
Im vorliegenden Fall ging es um mehrere Drittstaatsangehörige, die von einer slowakischen Gesellschaft zur Durchführung von Arbeiten in die Niederlande entsandt wurden. Diese Arbeitnehmer, die bereits slowakische Aufenthaltserlaubnisse besaßen, sollten dort für mehr als 90 Tage tätig sein. Der niederländische Staatssekretär für Justiz und Sicherheit verlangte von diesen Arbeitnehmern, dass sie eine niederländische Aufenthaltserlaubnis für die Dauer ihrer Arbeit im Land besitzen. Die entsandten Arbeitnehmer und ihre slowakische Firma argumentierten, dass diese Anforderung gegen die Prinzipien des freien Dienstleistungsverkehrs verstoße, wie sie in den Verträgen und Richtlinien der Europäischen Union verankert sind.
Entscheidung des EuGH
Verlangen der Aufenthaltserlaubnisse von Drittstaatangehörigen
Der EuGH stellte fest, dass die Richtlinie 96/71 zwar auf entsandte Drittstaatsangehörige Anwendung finden kann, doch bleiben nationale Vorschriften zur Einreise, zum Aufenthalt und zum Zugang zur Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen unberührt. Daher entschied der EuGH, dass Mitgliedstaaten von Drittstaatsangehörigen, die für mehr als 90 Tage in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, eine Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmemitgliedstaat verlangen dürfen, selbst wenn zuvor die Dienstleistung gemeldet und relevante Dokumente übermittelt wurden. Diese Anforderung widerspricht nicht den Artikeln 56 und 57 AEUV. Der Gerichtshof betonte aber die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit und dass solche Maßnahmen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein müssen. Hierzu gehören der Schutz der Arbeitsbedingungen, der sozialen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung. Der EuGH unterstrich, dass die Maßnahmen verhältnismäßig sein müssen und nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.
Kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für Unternehmen
Der EuGH stellte ferner fest, dass das abgeleitete Aufenthaltsrecht für Familienangehörige von Unionsbürgern nicht auf Unternehmen und deren Arbeitnehmer übertragbar ist. Beziehungen zwischen Familienangehörigen, die durch Artikel 7 der Charta der Grundrechte der EU geschützt sind, sind nicht mit den Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen Angestellten vergleichbar. Daher kann entsandten Arbeitnehmern nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat gewährt werden.
Anforderungen an die Aufenthaltserlaubnis
Des Weiteren stellte der EuGH fest, dass eine nationale Regelung, die die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf eine bestimmte maximale Dauer begrenzt, nicht gegen Art. 56 AEUV verstößt. Allerdings darf diese Dauer nicht offensichtlich zu kurz sei und Verlängerungen müssen ohne übermäßige Formalitäten möglich sein.
Außerdem ist eine Regelung, die die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf die Dauer der Arbeitserlaubnis im Mitgliedstaat der Niederlassung des Dienstleistungserbringers beschränkt, mit Art. 56 AEUV vereinbar.
Die Erhebung von Gebühren für die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis, die höher sind als für die Ausstellung eines Aufenthaltsnachweises für Unionsbürger, verstößt nicht gegen Art. 56 AEUV, sofern diese Gebühren den Verwaltungskosten entsprechen, die durch die Bearbeitung des Antrags entstehen.
Die EuGH-Entscheidung unterstreicht somit, dass Mitgliedstaaten gewisse Beschränkungen und Anforderungen für die Entsendung von Drittstaatsangehörigen zur Dienstleistungserbringung innerhalb der EU aufstellen können. Diese müssen im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs verhältnismäßig und gerechtfertigt sein.
Fazit
Das Urteil des EuGH stellt klar, dass nationale Regelungen, die eine Aufenthaltserlaubnis für Drittstaatsangehörige bei längerfristigen Entsendungen verlangen, nicht gegen EU-Recht verstoßen. Dies hat bedeutende Folgen für Unternehmen, die Drittstaatsangehörige in andere Mitgliedstaaten entsenden. Unternehmen sollten sicherstellen, dass entsandte Drittstaatsangehörige über die erforderlichen Aufenthaltserlaubnisse verfügen, wenn der Aufnahmestaat dies verlangt. Arbeitnehmer müssen sich der Notwendigkeit solcher Genehmigungen bewusst sein, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Eine genaue Kenntnis der rechtlichen Anforderungen ist für beide Seiten essentiell.
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