Arbeitszeitlich überwiegende bauliche Leistungen eines Baubetriebs,  BAG Urteil vom 22.01.2020 – 10 AZR 387/18

Sachverhalt: Wann werden in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht?

Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft. Der Kläger ist die SOKA-Bau, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins. Diese ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Der Beklagte, der nicht originär tarifgebunden ist, unterhält einen Gewerbebetrieb. In diesem montiert er allein unter anderem Doppelböden (Hohlraumböden) einschließlich Lüftungsplatten und -kanälen sowie sog. Footprints in Doppelböden. Als Bürokraft hatte er seine Ehefrau angestellt.

Die SOKA-Bau war der Ansicht, der Betrieb des Beklagten unterfalle den Tarifverträgen über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) und verlangte von ihm die Beiträge in Höhe von 4.440,70 für die Jahre von 2011 bis 2014. Als Geltungsgrund für die VTV berief sich die SOKA-Bau auf das SokaSiG (Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe). Der Beklagte vertritt die Ansicht, dass keine Beitragspflicht besteht. Er hatte keine Arbeitnehmer beschäftigt, die arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbringen. Er hatte lediglich seine Ehefrau als Bürokraft beschäftigt. Die baulichen Leistungen erbrachte er als Betriebsinhaber.

Der Beklagte hat daher beantragt, die Klage abzuweisen. Während das Arbeitsgericht die Einsprüche zurückwies, gab das Landesarbeitsgericht der Klage statt. Mit der Revision verfolgte der Beklagte das Ziel, dass die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

 

Entscheidung des BAG: Bauliche Leistungen liegen auch vor, wenn sie vom Inhaber erbracht werden

Fallen bauliche Leistungen an, können Ansprüche der SOKA-Bau entstehen

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Revision des Beklagten unbegründet ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage der SOKA-Bau zu Recht für zulässig und begründet gehalten und der Berufung stattgegeben. Das BAG entschied, dass die SOKA-Bau einen Anspruch gegen den Beklagten hat. Die Ansprüche ergeben sich aus dem SoKaSiG, dessen angeordnete Geltungserstreckung der VTV auf nicht Tarifgebundene verfassungsgemäß ist. Unter anderem entschied das BAG, dass der Betrieb des Beklagten in den betrieblichen Geltungsbereich der VTV fällt.

Nach der ständigen Rechtsprechung wird ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen ausgeführt werden. Den eigentlichen baugewerblichen Tätigkeiten sind auch Nebenarbeiten zuzurechnen. Diese müssen zu einer sachgerechten Ausführung baulicher Leistungen notwendig sein und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen.

Für die Frage, ob in einem Betrieb die Bauleistungen überwiegend erbracht werden, kommt es grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Die vom Arbeitgeber oder von seinem gesetzlichen Vertreter aufgewendete Arbeitszeit spielt für die tarifliche Zuordnung eines Betriebs regelmäßig keine Rolle. Anders ist es, wenn es sich bei den von Arbeitnehmern des Betriebs erbrachten Tätigkeiten um Zusammenhangstätigkeiten handelt. Dies ist der Fall, wenn sie mit zu den vom Betriebsinhaber oder von seinem Vertreter selbst durchgeführten Arbeiten zusammenhängen. Dann ist für die Beurteilung, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, auch auf diese Arbeiten abzustellen.

Der Beklagte hatte aber nicht dargelegt, dass die Arbeitszeiten seiner Ehefrau nicht mit seinen baulichen Leistungen zusammenhängen. Deshalb durfte die SOKA-Bau dies annehmen. Auf dieser Basis war der Anspruch der SOKA-Bau gegeben.

Fazit: Tätigkeit des Inhabers eines Baubetriebs kann zu den baulichen Leistungen zählen

Aus dem Urteil wird deutlich, dass für die tarifliche Zuordnung eines Baubetriebs grundsätzlich bauliche Leistungen von Arbeitnehmern relevant sind. Die Tätigkeiten eines Inhabers eines Baubetriebs zählen zu den baulichen Leistungen nur in dem Fall, wenn die von Arbeitnehmern erbrachten Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Arbeiten des Inhabers stehen. In diesem Fall können Ansprüche der SOKA-Bau entstehen.

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