Arbeitnehmerstatus – Rückzahlung überzahlter Honorare von einem vermeintlich freien Mitarbeiter, BAG Urteil vom 26.6.2019 – 5 AZR 178/18

Sachverhalt: Kann ein Arbeitgeber von einem vermeintlich freien Mitarbeiter überzahlte Honorare zurückverlangen?

Die Parteien streiten im vorliegenden Fall über Ansprüche der Klägerin aus einem fehlerhaft als freies Dienstverhältnis behandelten Arbeitsverhältnis. Der Beklagte war als freier IT-Mitarbeiter seit 1.02.2001 bei der gemeinnützigen Klägerin selbständig tätig. Deren Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der Arbeitsförderung. Bis Oktober 2004 gab es zwischen den Parteien nur mündliche Vereinbarungen hinsichtlich des Honorars. Dann schlossen die Parteien einen schriftlichen „Dienstleistungsvertrag über EDV-Systemadministration“. Unter anderem war der Beklagte für die „Errichtung, Beratung und Durchführung der administrativen Tätigkeiten des Computernetzwerkes“ verantwortlich und erhielt ab 2004 pro anfallende Stunde ein Honorar in Höhe von 60 Euro zzgl. MwSt.

Im September 2000 schlossen die Klägerin und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr einen Mantel – und einen Vergütungstarifvertrag. Für den Beklagten hatten diese Tarifverträge keine Anwendung.

Arbeitnehmerstatus eines freien Mitarbeiters

Zum 16.03.2009 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis. Auf seinen Antrag stellte die Deutsche Rentenversicherung fest, dass der Beklagte während seiner gesamten Tätigkeit bei der Klägerin als Arbeitnehmer anzusehen war. Daraufhin wurde die Klägerin für die Zeit von Dezember 2004 bis März 2009 auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von circa 6.000 Euro zur Sozialversicherung herangezogen.

Verlangen der Rückzahlung überzahlter Honorare  seitens Arbeitgeber

Mit ihrer am 11.08.2015 eingereichten Klage verlangte die Klägerin für die Zeit von 01.02.2001 bis einschließlich 16.03.2009 die Rückzahlung „zuviel“ geleisteter Honorare in Höhe von circa 100.000 Euro und zuletzt zweitinstanzlich die Erstattung von Arbeitgeberanteilen am Gesamtsozialversicherungsbetrag in Höhe von circa 6.000 Euro. Als Begründung führte die Klägerin aus, dass der Beklagte für den Streitzeitraum lediglich die übliche Vergütung eines entsprechend seiner Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmers beanspruchen könne. Als üblich sei eine Bruttomonatsvergütung von 2.700-3.100 Euro anzusehen, woraus sich eine angemessene Gesamtvergütung von circa 50.000 Euro berechne. Über diesen Betrag hinaus geleistete Honorare verlangte die Klägerin von dem Beklagten.

Während das ArbG Freiburg die Klage abwies und das LAG Baden-Württemberg die Berufung zurückwies, verfolgte die Klägerin ihr Klagebegehren  mit Revision weiter.

Entscheidung des BAG: Veranlassung der Rückzahlung von überzahlten Honoraren

Das BAG hielt die Revision als begründet und wies die Sache zur neuen Verhandlung zurück.

Als Begründung führte das BAG aus, dass der Arbeitgeber aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen kann, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Mit einer solchen Feststellung steht fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand. Soweit die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar. In diesem Fall umfasst der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers nicht sämtliche Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen den beiden Vergütungen.

Im vorliegenden Fall leitete der Beklagte selbst nach der Kündigung des Rechtsverhältnisses mit der Klägerin ein sozialrechtliches Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a I 1 SGB IV ein. Dadurch stellte der Beklagte seinen Status als freier Mitarbeiter für die Zeit der gesamten Beschäftigungsdauer in Abrede. Aus diesem Grund war ihm auch kein Vertrauensschutz zu gewähren.

Vereinbartes Honorar ist kein Bruttoarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers

Außerdem stellte das BAG fest, dass eine für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beansprucht werden kann. Dies kann nur in Ausnahmefällen der Fall sein, bei denen eine Vergütungsvereinbarung für freie Mitarbeit unabhängig von der Rechtsnatur des vereinbarten Rechtsverhältnis Gültigkeit haben soll. Fehlt es an solchen Umständen und lässt sich durch ergänzende Vertragsauslegung die Höhe der Vergütung nicht zweifelsfrei bestimmen, führt dies zur Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB und damit zu einem Anspruch auf die übliche Vergütung.

Nach der ständigen Rechtsprechung kann die Vereinbarung eines Stundenhonorars bei irrtümlicher Behandlung des Rechtsverhältnisses als freies Dienstverhältnis nicht auch für das in Wahrheit bestehende Arbeitsverhältnis als verbindlich angesehen werden.

Im vorliegenden Fall war das vereinbarte Honorar in Höhe von 60 Euro pro Stunde mehr als das Doppelte über dem Satz der Vergütung, die Arbeitnehmer nach der höchsten Entgeltgruppe im Haustarifvertrag beanspruchen konnten.

Hierzu kam das BAG zu dem Ergebnis, dass der Bereicherungsanspruch der Klägerin nicht ausgeschlossen ist. Mangels ausreichender Feststellungen konnte das BAG jedoch nicht abschließen entscheiden, in welchem Umfang der Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung von Honoraren schuldet. Deswegen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen.

Fazit: Arbeitgeber können Honorare von vermeintlich freien Mitarbeitern zurückverlangen

Das Urteil des BAG zeigt, dass im Falle eines Statusfeststellungsverfahrens, laut dem ein Arbeitnehmerstatus eines freien Mitarbeiters festgestellt wird, der Arbeitgeber auch Vorteile haben kann. Die freien Mitarbeiter können nicht die Privilegien eines Arbeitnehmers für sich in Anspruch nehmen und gleichzeitig das Doppelte verdienen als vergleichbare Arbeitnehmer. Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf.

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