Anspruch von Leiharbeitnehmern auf Gleichbehandlung bei Arbeitsunfällen, EuGH Urteil C-649/22

Hintergrund

Das Urteil betrifft die Auslegung von Artikel 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit. Die zentrale Frage war die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern im Vergleich zu festangestellten Arbeitnehmern des entleihenden Unternehmens.

Sachverhalt: Haben die Leiharbeitnehmer den gleichen Anspruch bei Arbeitsunfällen wie Festangestellte?

Der Kläger war als Leiharbeitnehmer bei einem entleihenden Unternehmen tätig und erlitt während dieser Beschäftigung einen Arbeitsunfall, der zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führte. Nach dem Unfall erhielt der Kläger gemäß Artikel 42 des Tarifvertrags für Leiharbeit eine Entschädigung in Höhe von 10.500 Euro. Der Kläger war jedoch der Ansicht, dass ihm gemäß Artikel 31 des Tarifvertrags für den Transportsektor eine Entschädigung in Höhe von 60.101,21 Euro hätte gezahlt werden müssen. Diese Differenz basierte auf den Regelungen, die für festangestellte Arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens galten.

EuGH entschied über die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Festangestellten bei Arbeitsunfällen

Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied, dass Leiharbeitnehmer Anspruch auf dieselbe Entschädigung haben wie festangestellte Arbeitnehmer, wenn sie infolge eines Arbeitsunfalls dauerhaft arbeitsunfähig werden. Diese Entscheidung bestätigt den Grundsatz der Gleichbehandlung und stellt klar, dass Leiharbeitnehmer in Bezug auf wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht benachteiligt werden dürfen.

Begründung

Der Gerichtshof stellte fest, dass der Begriff „wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG weit auszulegen ist und daher auch Entschädigungen für Arbeitsunfälle umfasst. Diese Auslegung folgt den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, wie sie in Artikel 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind. Der Gerichtshof betonte, dass das Ziel der Richtlinie darin besteht, sicherzustellen, dass Leiharbeitnehmer während ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen nicht schlechter gestellt werden als vergleichbare festangestellte Arbeitnehmer dieses Unternehmens. Dies umfasst alle wesentlichen Bedingungen, die das Arbeitsentgelt und andere arbeitsbezogene Vorteile betreffen.

Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz

Leiharbeiter haben gleiche Ansprüche auf Entschädigung bei Arbeitsunfällen wie Festangestellte

Die Sozialpartner haben nach Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 2008/104 die Möglichkeit, Tarifverträge zu schließen, die in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern Regelungen enthalten können, welche von den in Artikel 5 Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen. Diese Tarifverträge müssen jedoch den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer achten, wie in Artikel 5 Absatz 3 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 16 und 17 der Richtlinie festgelegt. Die Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes verlangt, Leiharbeitnehmern Vorteile in Bezug auf wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu gewähren, die geeignet sind, ihre Ungleichbehandlung auszugleichen. Damit von dem in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2008/104 verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz durch den Tarifvertrag für Leiharbeit abgewichen werden kann, wäre es erforderlich, dass dieser Tarifvertrag einen solchen Gesamtschutz gewährleistet, indem er Ausgleichsvorteile in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährt.

Auswirkungen

Das Urteil stärkt die Rechte von Leiharbeitnehmern und stellt sicher, dass sie im Falle von Arbeitsunfällen nicht schlechter gestellt werden als festangestellte Mitarbeiter des entleihenden Unternehmens. Es setzt einen wichtigen Präzedenzfall, der die Bedeutung der Gleichbehandlung im Arbeitsrecht unterstreicht und die Rechte von Leiharbeitnehmern in der gesamten Europäischen Union stärkt.

Fazit

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Leiharbeitsbranche und betont die Notwendigkeit, die Rechte der Leiharbeitnehmer zu schützen und ihre Gleichbehandlung sicherzustellen. Unternehmen, die Leiharbeitnehmer beschäftigen, müssen sicherstellen, dass ihre Arbeitsbedingungen mit denen der festangestellten Mitarbeiter übereinstimmen, insbesondere in Bezug auf Entschädigungen für Arbeitsunfälle.

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