Anspruch eines Leiharbeitnehmers auf „equal pay“, LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.01.2018 – 15 Sa 9/17

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt Arbeitnehmerüberlassung und befindet sich im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Die Klägerin ist bei ihr seit dem 21.02.2001 als Leiharbeitnehmerin tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der am 02.01.2007 unterschriebene Arbeitsvertrag Anwendung. In § 16 des Arbeitsvertrages wurde vereinbart, dass im Übrigen für die Dauer des Arbeitsvertrages der Manteltarifvertrag zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit, Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) und den unterzeichnenden Mitgliedergewerkschaften des DGB gilt.

Im streitgegenständlichen Zeitraum (2012), aber ebenso auch schon seit Beginn des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beklagten, war sie durchgehend an die Firma P. & G. M. GmbH verliehen und dort in der Verpackungsabteilung als Helferin beschäftigt.

Wirkung eines Haustarifvertrags (TIDL)

Im Zeitraum vor dem 01.11.2012 seien Mitarbeiter der Entleiherin nach dem Branchentarifvertrag IG BCE bezahlt worden. Mit Wirkung ab dem 01.11.2012 sei ein Haustarifvertrag (TIDL) abgeschlossen worden, welcher die zukünftige Bezahlung der Mitarbeiter für die Entleiherin regele. Hintergrund sei die Veränderung der Tarifstruktur weg von der IG BCE hin zu dem Bereich Logistik gewesen.

Ansprüche der Klägerin auf „equal pay“

Unter dem Gesichtspunkt von „equal pay“ erstrebte die Klägerin eine höhere Arbeitsvergütung. Sie klagte für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2012 zusätzlich zu der ihr gewährten Vergütung ihre monatliche Vergütung, Sonn- und Feiertagszuschläge, Urlaubsgeld, eine Jahresleistung sowie einen Anspruch auf Vergütung dafür, dass die Beklagte im Jahr 2012 mehrfach (acht Monate sind betroffen) Arbeitszeit eines aus Sicht der Beklagten rechtmäßig geführten Arbeitszeitkontos abgebaut hat.

Das LArbG kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin für das gesamte Jahr 2012 in Höhe der zugesprochenen Beträge jeweils Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG hat. Der Punkt, dass die Entleiherin im Jahr 2012 tatsächlich keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftigt hat, bleibt irrelevant. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses Entgeltschema abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Fall das Arbeitsentgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre.

Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG aF ist weit auszulegen. Zu ihm zählt nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss. Beispielweise auch ein 13. Monatsgehalt, eine tarifliche Sonderzahlung und die Ansprüche auf Urlaubsvergütung.

Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers gemäß § 13 AÜG

Dabei kann die Klägerin sich für die Darlegung des Entgelts vergleichbarer Stammarbeitnehmer auf die Auskunft gemäß § 13 AÜG stützen, die eine Wissenserklärung ist. Die Auskunftspflicht trifft zunächst die Entleiherin selbst. Das Gesetz hindert den Entleiher aber nicht, zur Erstellung und Bekanntgabe der Auskunft Hilfspersonen hinzuzuziehen, sofern diese über das für eine ordnungsgemäße Auskunft erforderliche Wissen verfügen. Deshalb können insbesondere auch – wie im Streitfall – Arbeitgeberverbände eingeschaltet werden.

Erfüllung aller geltenden Voraussetzungen für den Entgeltanspruch

Im Falle eines Anspruchs auf „equal pay“ müssen die ansonsten geltenden Voraussetzungen für den erstrebten Entgeltanspruch erfüllt sein. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die 2,5 Wochenstunden, die die Differenz zwischen 35 Wochenstunden und 37,5 Wochenstunden bilden, nicht tatsächlich gearbeitet, deswegen müsste einer der gesetzlich vorgesehenen Fälle von „Entgelt ohne Arbeit“ vorliegen.

Das LArbG brachte zum Ausdruck, dass der Klägerin für die von ihr genannten Sonntags- bzw. Feiertagsstunden die eingeklagten Zuschläge zustehen. Außerdem stehen ihr auch das Urlaubsgeld und die Jahresleistung zu.

Abbau des Arbeitskontos

Zu der Frage über den Abbau des Arbeitskontos durch die Beklagte, brachte das LArbG zum Ausdruck, dass ohne Darlegung, wie der Abbau im Einzelnen von den Parteien gehandhabt wurde, nicht von der Entbehrlichkeit eines Arbeitsangebots ausgegangen werden kann. Demgegenüber machte die Klägerin nicht einmal geltend, mit dem konkret praktizierten Abbau von Überstunden nicht einverstanden gewesen zu sein und dagegen protestiert zu haben.

Abschließend stellte das LArbG fest, dass die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt sind.