Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Möglichkeit der Geltendmachung in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen, EuGH Urteil vom 6.11.2018 – C-684/16
Ähnlich wie im Fall C-619/16 entschied der EuGH erneut über das Recht auf den bezahlten Jahresurlaub und über eine nationale Regelung, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Urlaubs und der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall war der Kläger von August 2001 bis 31. Dezember 2013 auf Grundlage mehrerer befristeter Verträge bei der Max-Planck-Gesellschaft, der Beklagten, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden das BUrlG und der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung.
Am 23.10.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, den Resturlaub zu nehmen. Der Kläger nahm daraufhin zwei Tage Urlaub.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 die Max‑Planck‑Gesellschaft erfolglos zur Zahlung von 11.979 Euro als finanzielle Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013 aufgefordert hatte, erhob er eine entsprechende Zahlungsklage.
Das Bundesarbeitsgericht führte aus, die im Ausgangsverfahren fraglichen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub seien gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, da der Urlaub nicht im Urlaubsjahr genommen worden sei. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfalle nämlich der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, es sei denn, die Übertragungsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung lägen vor. Sei der Arbeitnehmer in der Lage gewesen, seinen Urlaub im Urlaubsjahr zu nehmen, gehe der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub daher am Ende des Urlaubsjahres unter. Da diese Ansprüche verfallen seien, könnten sie nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG umgewandelt werden. Anders sei es nur, wenn der Arbeitgeber trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags des Arbeitnehmers diesem keinen Urlaub gewährt habe. § 7 BUrlG könne aber nicht so ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, den Arbeitnehmer dazu zu zwingen, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.
Außerdem sah das Bundesarbeitsgericht die Max-Planck-Gesellschaft als Privatperson an.
Vorlage beim EuGH
Das Bundesarbeitsgericht beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
- Steht Art. 7 der Richtlinie 2003/88 oder Art. 31 Abs. 2 der Charta einer nationalen Regelung wie der in § 7 BUrlG entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?
- Falls die Frage zu 1 bejaht wird:
Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand?
Auf die erste Frage antwortete der EuGH, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie im Ausgangsverfahren entgegenstehen. Dies ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer nach der nationalen Regelung seinen Urlaub bzw. seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen.
Wegfall der finanziellen Vergütung
Hat der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub hingegen aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht genommen, stehen die oben genannten EU-Vorschriften dem Verlust dieses Anspruchs bzw. auch dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen. Außerdem sieht der EuGH die Möglichkeit einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Urlaub jedoch nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ferner ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer dazu zu zwingen, diesen Anspruch tatsächlich wahrzunehmen.
Arbeitgeber als Privatperson
In Bezug auf die zweite Frage über die Tatsache, dass der Arbeitgeber eine Privatperson ist, kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 keine Anwendung in einem Rechtstreit zwischen Privaten hat.
Geltung des Art. 31 der Charta für die Privatperson
Demgegenüber fallen die Privatpersonen in den Anwendungsbereich des Art. 31 Abs. 2 der Charta. Zwar gilt die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Unionsrechts. Hingegen trifft Art. 51 Abs. 1 der Charta keine Regelung darüber, dass Privatpersonen kategorisch ausgeschlossen wären.
Antwort des EuGH
Abschließend kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass das nationale Gericht eine nationale Regelung unangewendet lassen soll und dafür Sorge zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer weder seine Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub verlieren kann. Anderenfalls muss der Arbeitgeber nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen.