Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz (Equal-Pay) für Zeitarbeiter durch Tarifverträge, Urteil LAG Nürnberg von 20.02.2019 – 2 Sa 402/18
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über Entgeltdifferenzansprüche des Klägers wegen des Gleichstellungsgrundsatzes nach dem AÜG („Equal-Pay“).
Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Mitarbeiter im Bereich Service Desk & Support mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.800 Euro beschäftigt.Laut dem Arbeitsvertrag fanden auf das Arbeitsverhältnis die zwischen BAP und DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003 Anwendung.
In der Zeit vom 15.10.2014 bis zum 15.10.2016 war der Kläger bei dem Unternehmen D. Informatik GmbH eingesetzt. Auf sein Auskunftsverlangen teilte das Unternehmen dem Kläger mit, dass ein Bruttomonatsgehalt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers 3.363,- € ab dem 15. Oktober 2014, 3.444,- € ab dem 01.10.2015 und 3.541 € ab dem 01.07.2016 betrug. Zusätzlich erhielten Stammarbeitnehmer ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 125% eines Bruttomonatsgehalts.
Im Zeitraum vom 17.10.2016 bis 30.04.2017 war der Kläger bei der Da… eG eingesetzt. In diesem Unternehmen erhielt ein Stammarbeitnehmer ein Bruttomonatsgehalt von 3.600,- €.
Aus diesem Grund forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Einsatz bei der D. Informatik GmbH monatlich 400 Euro und für den Einsatz bei der Da… eG monatlich 800 Euro nachzuzahlen. Dies lehnte die Beklagte ab.
Klage beim Arbeitsgericht über die Forderung nach Equal-Pay
Mit der Klage beim Arbeitsgericht Nürnberg verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Nach erteilter Auskunft forderte der Kläger für den Einsatz bei der D. Informatik GmbH einen Betrag in Höhe von 23.867,12 Euro und für den Einsatz bei der Da… eG einen Betrag in Höhe von 5.200 Euro an.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Der Gleichstellungsgrundsatz finde keine Anwendung, weil eine zulässige Abweichung durch Tarifvertrag vorliege. Diese Abweichung sei europarechtskonform.
Dagegen legte der Kläger beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eine Berufung ein.
Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz
Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Zwar erhielt der Kläger in der Zeit seiner Einsätze in den beiden Unternehmen ein geringeres Gehalt als ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer. Die Beklagte war jedoch nicht zur Zahlung des Differenzbetrages verpflichtet, da die Parteien in zulässiger Weise vom Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Sätze 1-3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG (alte Fassung) Gebrauch gemacht haben.
Abweichung von Equal-Pay durch Tarifvertrag
Nach § 8 Abs. 2 Sätze 1 – 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. können die Arbeitsvertragsparteien vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, indem sie im Geltungsbereich eines Tarifvertrages dessen Anwendung vereinbaren, soweit dieser Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte nicht unterschreitet. Im vorliegenden Fall einigten sich die Parteien über die Anwendung der jeweils geltenden Tarifverträge zwischen dem Bundesverband der Personaldienstleister (BAP) und der DGB-Tarifgemeinschaft. Die jeweils in Bezug genommenen Entgelttarifverträge unterschritten nicht das Mindestentgelt der für den Streitzeitraum einschlägigen Zweiten Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung.
Abweichung von Equal-Pay ist europarechtskonform
Außerdem steht § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG bzw. § 9 Nr.2 3. Halbsatz AÜG a.F. mit Art. 5 der EU-Leiharbeitsrichtlinie im Einklang. Art. 5 Abs. 3 EU-Leiharbeitsrichtlinie erlaubt die Abweichung vom in Art. 5 Abs. 1 EU-Leiharbeitsrichtlinie geregelten Gleichstellungsgrundsatz auch durch arbeitsrechtliche Bezugnahme auf Tarifverträge. Diese sollen jedoch den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen achten.
Mit Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer ist die Einhaltung einer allgemeinen Untergrenze der Arbeitsbedingungen gemeint, die über die für alle Arbeitnehmer geltenden Mindeststandards hinausgeht. Im vorliegenden Fall ist diese Untergrenze in den angewandten Tarifverträgen eingehalten. Das Entgelt lag über der Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit. Hinsichtlich Arbeitszeit und Urlaub war der Tarifvertrag auch günstiger als die gesetzliche Regelung.
Erlaubte Ausschlussfristen
Zusätzlich ist im AÜG oder in den auf Grund von § 3 Satz 1 erlassenen Verordnungen zur Lohnuntergrenze keine Regelung enthalten, die die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen von Ausschlussfristen verbieten würde, wie es in § 3 Satz 1 MiLoG bzw. § 9 Satz 3 AEntG der Fall ist. Die zuletzt genannten Normen finden auf Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern, die nicht in einer vom AEntG oder einer auf Grund des AEntG erlassenen Branche beschäftigt werden, keine Anwendung.
Fazit
Aus oben genannten Gründen ist festzustellen, dass die Zeitarbeiter nicht unbedingt mit den herkömmlichen Arbeitnehmern gleichgestellt werden müssen. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die anerkannten Tarifverträge kann man vom Equal-Pay-Prinzip abweichen.