Abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit von Reitlehrern? Urteil des LSG Hessen L 1 BA 22/23

Das Urteil des LSG Hessen vom 02.05.2024 behandelt die Sozialversicherungspflicht einer Reitlehrerin, die in einem Reitverein tätig war.

Sachverhalt: Wann müssen Vereine für Reitlehrer Beiträge zur Sozialversicherung zahlen?

Die Deutsche Rentenversicherung forderte die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen

Ein Reitverein klagte gegen die Beitragsnachforderung der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von 3.639,64 Euro für eine als Selbstständige tätige Reitlehrerin. Die Reitlehrerin unterrichtete die Vereinsmitglieder im Reiten und nutzte dafür die vereinseigenen Schulpferde. Die Deutsche Rentenversicherung stellte nach einer Betriebsprüfung fest, dass die Reitlehrerin in den Vereinsbetrieb integriert und somit abhängig beschäftigt war. Der Kläger argumentierte, dass die Reitlehrerin selbstständig tätig war, da sie ihre Arbeitszeiten und die Organisation des Unterrichts selbst bestimmte.

Das Urteil im Überblick

Das Gericht entschied, dass die Reitlehrerin abhängig beschäftigt war. Es wurde festgestellt, dass sie in den Betrieb des Vereins integriert war und nicht eigenverantwortlich handelte. Entscheidend war die Nutzung der vereinseigenen Pferde und Anlagen, die Eingliederung in den Unterrichtsplan des Vereins sowie die feste Vergütung pro Stunde, ohne eigenes unternehmerisches Risiko. Die Freiheit bei der Terminplanung und die fehlende persönliche Weisungsgebundenheit wurden als unzureichend bewertet, um eine selbstständige Tätigkeit zu begründen. Diese Beurteilung beruht auf § 7 Abs. 1 SGB IV und der Gesamtabwägung aller relevanten Umstände.

Die Reitlehrerin wurde als abhängig Beschäftigte eingestuft

Das Gericht hob damit das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt auf und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung der Beklagten. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine abhängige Beschäftigung vorlagen und daher Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen waren.

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit

Das Urteil verdeutlicht die Kriterien zur Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bei Vereinsmitgliedern. Das Urteil legt detailliert dar, dass die Reitlehrerin trotz bestimmter Freiheitsgrade, wie der selbstständigen Terminvereinbarung und der inhaltlichen Gestaltung des Unterrichts, als abhängig beschäftigt zu betrachten ist. Die wesentlichen Faktoren für die Entscheidung waren:

  • Eingliederung in die Arbeitsorganisation: Die Reitlehrerin nutzte die vereinseigenen Pferde und Anlagen und stimmte die Nutzung der Reithalle mit dem Verein ab. Dies zeigt eine Eingliederung in den Betriebsablauf des Vereins.
  • Weisungsgebundenheit: Auch wenn keine detaillierten Weisungen zur Durchführung der Reitstunden vorlagen, war die Reitlehrerin an den Hallenbelegungsplan und die organisatorischen Strukturen des Vereins gebunden.
  • Vergütung: Die Reitlehrerin erhielt eine feste Vergütung pro Stunde, stellte keine Rechnungen und trug kein eigenes unternehmerisches Risiko, wie es für Selbstständige typisch wäre.
  • Fehlendes Unternehmerrisiko: Sie musste keine eigenen Investitionen tätigen, wie z.B. für Werbung oder eigene Pferde, und hatte kein finanzielles Risiko.

Diese Faktoren führten zu dem Schluss, dass die Reitlehrerin als abhängig beschäftigt einzustufen ist, da die Merkmale der abhängigen Beschäftigung überwogen.

Fazit

Das Urteil des LSG Hessen zeigt, dass eine klare Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entscheidend ist. Vereine müssen sicherstellen, dass ihre Vertragsverhältnisse sorgfältig geprüft und dokumentiert werden, um hohe Beitragsnachforderungen zu vermeiden. Vereine sollten die Eingliederung und Weisungsgebundenheit ihrer Übungsleiter überprüfen und sollten sich über ihre mögliche Sozialversicherungspflicht informieren. Hierzu empfiehlt es sich frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um Missverständnisse und finanzielle Nachteile zu vermeiden.

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