Bericht
10. Seminar
“ Ein Jahr AÜG-Reform – Quo vadis Werkvertrag? “im Sheraton – Hotel in Frankfurt Flughafen am 02.03.2018
Werkvertrag und Zeitarbeit auf dem Prüfstand
Das Seminar war wie jedes Jahr gut besucht. Rund fünfzig interessierte Wirtschaftsvertreter aus dem In- und Ausland und Juristen informierten sich über Chancen und Risikenvon Werkverträgen und Zeitarbeit. Die Abgrenzung der werkverträglichen Tätigkeit von der Arbeitnehmerüberlassung bleibt dabei ein problematisches Thema. Die AÜG-Reform hat bei der Klarstellung nicht geholfen. Im Rahmen des Seminars wurden die verschiedensten Aspekte besprochen und Lösungsmöglichkeiten erörtert. Die Referenten behandelten die einzelnen Themen immer mit Blick auf die Praxis.
Kleine Einführung in die Modifizierung der Entsenderichtlinie
Im ersten Referat gab Herr Prof. Dr. Tuengerthal, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit, einen Überblick über die geplanten Änderungen der Entsenderichtlinie und ihre Auswirkung auf den Einsatz ausländischer Unternehmen.
Besondere Aufmerksamkeit widmete der Referent dem Art. 3 der Entsenderichtlinie, in dem in der bisherigen Fassung die Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze als Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen genannt sind. Laut dem Vorschlag der Kommission solle die Richtlinie den Grundsatz des gleichen Lohns für die gleiche Arbeit am gleichen Ort enthalten. Zusätzlich solle die Entsendezeit auf 18 Monaten verkürzt werden.
Risiken beim Einsatz ausländischer Fremdfirmen verringern
Herr Rechtsanwalt Andorfer brachte in seinem Vortrag zum Ausdruck, wie man beim Einsatz ausländischer Fremdfirmen die Risiken verringern kann. Bei Einsatz von Fremdfirmen in Form vom Werkvertrag, Zeitarbeit oder als Soloselbständige liegen die Risiken in der Praxis überwiegend im Beitragsrecht der Sozialversicherung.
Um Risiken zu vermeiden, sollte man darauf achten, dass der Einsatz von Fremdfirmen nicht als eine illegale Arbeitnehmerüberlassung von den Kontrollbehörden betrachtet wird. Eine Arbeitnehmerüberlassung ist illegal bei Fehlen einer gültigen Erlaubnis, bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht bzw. Konkretisierung, sowie bei Verstößen gegen die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Im Fall der illegalen Arbeitnehmerüberlassung der Arbeiter aus dem Ausland nach Deutschland müssen Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland bezahlt werden. Dabei darf man nicht vergessen, dass laut § 28e Abs. 2 S. 3 SGB IV Verleiher und Entleiher als Gesamtschuldner für die Sozialversicherungsbeiträge haften. Allerdings ist ein deutscher Entleiher von seiner gesamtschuldnerischen Haftung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag des in Deutschland arbeitenden Leiharbeitnehmers nicht dadurch befreit, dass der ausländische Verleiher bereits das Arbeitsentgelt gezahlt und darauf Beiträge an einen ausländischen Träger der Sozialversicherung abgeführt hat. Nur eine Entsendebescheinigung schützt insoweit.
Beim Einsatz der Arbeitnehmer im Rahmen des Werkvertrags stellt der EuGH Voraussetzungen zur fortbestehenden arbeitsrechtlichen Bindung zum Entsendearbeitgeber, wie Entgeltzahlung, Verantwortung für die Anwerbung des Beschäftigten sowie ein fortbestehendes Weisungsrecht zur Art und Weise der Arbeitsleistung. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen entsteht bei Entsendungen nach Deutschland kein Sozialversicherungspflichtverhältnis nach dem SGB und somit auch keine Beitragspflicht. Allerdings können nach der neusten Rechtsprechung des EuGHs die nationalen Gerichte die Entsendebescheinigungen unbeachtet lassen, wenn sie betrügerisch erlangt wurden.
Es ist daher zwingend notwendig, verschärft auf die korrekte Durchführung der Werkverträge zu achten. Hierbei unterstützte die Kanzlei Prof. Dr. Tuengerthal, Andorfer, Greulich und Prochaska die Unternehmen mit Audits.
Vorstellung der Veröffentlichung der AWZ: Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
Im Rahmen des Seminars stellte Herr Dr. Hennecke die neue Veröffentlichung von der AWZ zum neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz kurz vor, die die Teilnehmer mitnehmen konnten.
Neuregelung „Equal pay“ – Ungelöste alte Probleme, garniert mit neuen Fragen
Im nächsten Vortrag veranschaulichte Herr Tillmanns, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, die Neuregelung von „Equal pay“. Dabei sprach der Referent über den Gleichstellungsgrundsatz des Leiharbeitnehmers. Laut diesem Grundsatz ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Vom Gleichstellungsgrundsatz könnte ein Tarifvertrag abweichen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Problematisch wird es jedoch dann, wenn der Tarifvertrag aus organisationsrechtlichen Gründen unwirksam ist. Dies könnte bei Tarifunfähigkeit oder fehlender Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft der Fall sein. Dabei darf die Abweichung durch den Tarifvertrag maximal 9 Monate dauern. Die Berechnung dieser Fristen wurde abschließend den Teilnehmern erläutert.
Zu den Auswirkungen der Branchenzuschläge in der Zeitarbeit beim Einsatz von Zeitarbeitern bei der Abwicklung von Werkverträgen
Im Anschluss daran zeigte Herr RA Greulich die Auswirkungen der Branchenzuschläge für Leiharbeiter bei Einsätzen in der Metall- und Elektroindustrie im Rahmen von Werkverträgen auf. Dabei verwies er auf zwei BAG Grundsatzurteile vom 22.02.2017: 5 AZR 552/14 und AZR 252/16.
Im ersten Urteil (5 AZR 552/14) entschied das BAG über Branchenzuschläge bei Einsätzen in On-Site-Werkverträgen nach dem Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie vom 22. Mai 2012 (TV BZ ME). Im vorliegenden Fall behauptete der Kläger, dass er in einem Betrieb der Automobilindustrie tätig war und aus diesem Grund Branchenzuschläge nach dem § 1 Nr. 2 TV BZ ME enthalten müsste. Im genannten Urteil erläuterte das BAG den Begriff des Kundenbetriebs der Metall- und Elektroindustrie im Sinne des TV BZ ME. Dazu rechnet es alle Betriebe, deren überwiegende Tätigkeit als Glied einer Fertigungskette unmittelbar auf die Fertigung eines Automobils oder eines sonstigen Fahrzeugs sowie seiner Bestandteile gerichtet ist. Im Ergebnis hat das BAG ausgeführt, dass der Kläger Anspruch auf einen Branchenzuschlag nach dem Tarif in der Metall- und Elektroindustrie hat.
Ähnlich wie im ersten Urteil entschied das BAG im zweiten Urteil (5AZR 252/16) auch über Branchenzuschläge nach dem TV BZ ME. Das Urteil bezieht sich auf die Kontraktlogistik, die in vorgegebener Reihenfolge (sog. Sequenzierung bzw. just in sequence) Bauteile für die Automobilproduktion sortiert. Der Kläger verlangt auch Branchenzuschläge nach dem § 1 Nr. 2 TV BZ ME, da sein Betrieb seines Erachtens in dessen Geltungsbereich fällt. Das BAG hat Logistikunternehmen als Hilfs- und Nebenbetriebe nach dem TV BZ ME eingeordnet. Danach fallen die Betriebe, die durch ihre überwiegende Tätigkeit die Automobilproduktion unterstützen, auch in den fachlichen Bereich des Tarifvertrags in Metall- und Elektroindustrie fällt. Daher stehen die Branchenzuschläge den Zeitarbeitern in solchen Unterstützungsbetrieben zu.
Abschließend warnte Herr RA Greulich, bei Verleih von Leiharbeitern an Unterstützungsbetriebe tarifzuschlagspflichtiger Branchen vorsichtig zu sein.
Strafrechtliche Risiken für die verantwortlich handelnden Personen beim Fremdpersonaleinsatz
Herr Rechtsanwalt Prochaska stellte in seinem Vortrag mögliche strafrechtliche Risiken bei allen relevanten Formen der externen Beschäftigung dar.
In Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung kam neben den Regelungen über die Überlassungshöchstdauer (§ 1 Abs. 1b AÜG) und Equal-Pay (§ 8 Abs. 1 AÜG) die Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflicht laut dem § 1 Abs. 1 AÜG. Danach muss die Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag zwischen Entleiher und Verleiher ausdrücklich bezeichnet werden und die Person des Leiharbeiters vor Beginn der Überlassung unter Bezugnahme auf den Vertrag konkretisiert werden. Zusätzlich muss der Verleiher gemäß § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG den Leiharbeiter vor der jeweiligen Überlassung informieren, dass er bei dem Dritten als solcher tätig wird. Beim Verstoß gegen die oben genannten Vorschriften droht ein Bußgeld gemäß § 16 AÜG.
Beim Fremdpersonaleinsatz im Rahmen des Werk- und Dienstvertrages sollten die beteiligten Unternehmen alle Abgrenzungskriterien der werkvertraglichen Tätigkeit zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung beachten. Relevant ist dabei die tatsächliche Durchführung des Vertrages.
Herr RA Prochaska brachte ebenfalls zum Ausdruck, dass Straf- und Owi-Tatbestände des AÜG das Risiko einer Hinterziehung von Sozialabgaben nach § 266a StGB und einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO beinhalten.
Neue Rechtsprechung zum Fremdpersonaleinsatz
Die neue Rechtsprechung zur Abgrenzung der werkverträglichen Tätigkeit von Arbeitnehmerüberlassung wurde von Herrn Rechtsanwalt Krämer dargestellt. Nach wie vor gelten die Abgrenzungsmerkmale, die durch die Gerichte festgestellt sind. Immer noch wird aus der Rechtsprechung des BAG deutlich, dass für die rechtliche Einordnung von Fremdpersonaleinsatz der Geschäftsinhalt entscheidend ist, der aus ausdrücklicher Vereinbarung und tatsächlicher Durchführung sich bestimmt. In seinem Vortrag zeigte der Referent ausführlich die Unterschiede der Werk-/Dienstverträge zur Arbeitnehmerüberlassung.
Aus der neuen Rechtsprechung wird deutlich, dass für die Eingliederung in einen fremden Betrieb weder die Häufigkeit noch die Dauer des Einsatzes maßgeblich sind. Irrelevant ist auch die Tatsache, dass der Einsatz außerhalb des Betriebsgeländes stattfindet. Allerdings, um die Eingliederung zu vermeiden, ist es außerordentlich wichtig, dass im Werkvertrag oder in Handbüchern konkrete Vorgaben zur Durchführung der Tätigkeit enthalten sind.
Verbreitung, Nutzung und mögliche Probleme von Werkverträgen – eine Praxisstudie zur Verbreitung von Werkverträgen
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, hat zusammen mit dem Institut für angewandte Sozialwissenschaft, Bonn, und der Leibniz Universität, Hannover, eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragte Studie durchgeführt. Diese Studie analysierte Herr Dr. Hennecke und erläuterte seine Ergebnisse. Die Studie zeigt umfangreiche, repräsentative Belege zur Verbreitung und Ausgestaltung von Werkverträgen in Deutschland. Eine Schlechterstellung von Werkvertragsarbeitneh- mern gegenüber der Stammbelegschaft eines Werkbestellers lässt sich empirisch generell nicht feststellen. Die Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung bleibt für die Vertragsbeziehungen der Unternehmen relevant. Es kommt auf jeden Einzelfall und dessen besondere Konstellation an.
Vorstellung von Werkzeugen zur Reduktion von Risiken im Werkvertrag
Abschließend berichtete Herr Dr. Kunze aus praktischer Sicht über die Werkzeuge zur Reduktion von Risiken bei der Durchführung von Werkverträgen. Der Referent teilte den prozessualen Ablauf einer Vergabe im Werkvertrag in drei Phasen: Vorbereitung, Durchführung und Abschluss. Zwar treten die Risiken in der Durchführung ein, sie entstehen jedoch meistens bereits in der Vorbereitungsphase. Deswegen ist für die Reduktion der Risiken eine strukturierte Planung maßgeblich. Alle relevanten Fragen müssen bereits in der Vorbereitungsphase konkret geklärt werden. Ferner empfiehlt Herr Dr. Kunze alle Rahmenbedienungen der Erbringung in einem Lastenheft zu regeln, das eine Gesamtheit aller an das erfolgreiche Gewerk gestellten Forderungen darstellt und als Unterlage zum Vertrag zu sehen ist.
Fazit
Das Seminar wurde erfolgreich abgeschlossen. Nach jedem Vortrag hatten die Teilnehmer die Gelegenheit interessierende Fragen zu stellen, auf die unsere Referenten umfassende Antworten gegeben haben.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Unternehmen, die Fremdpersonal einsetzen, sehr vorsichtig sein müssen, um keinen Fehler zu begehen. Zur Risikovermeidung bleibt anwaltliche Beratung empfohlen.